Gildeschule - Rheindorf Mehrum

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Die Geschichte der „Gilde"-Schule zu Mehrum

Nach den Aufzeichnungen in dem von den Gildemeistern zu Mehrum geführten Rechnungsbuch bestand die Schule zu Mehrum bereits im Jahre 1694. In den Aufzeichnungen von Lehrer Küpperdamm, 1825 - 1875, hat die Schule urkundlich schon 1692 bestanden.
Als Unterrichtsraum diente eine Schulstube, deren Instandhaltung der Mehrumer Gilde oblag. Im Gildebuch befinden sich Aufzeichnungen zur Schule Mehrum, die unter dem Abschnitt Unterhaltung einer Schule der Abhandlung „Die Mehrumsche Gilde" aufgeführt sind. Hier ist auch einiges zur Besoldung des Lehrers ausgeführt.

Von den Lehrern zu Mehrum:

PETER DYCKHÖFFER, gebürtig aus Gahlen, ist 1695 Lehrer in Mehrum.
JÖRGEN. Er erhält 1703 von der Gilde 6 Schilling Lehrergehalt.

HEINRICH RUDOLPH, gebürtig aus der Stadt Tönning in Holstein, war zunächst Soldat in einem schweizerischen Regiment in französischen Diensten. Er ist der Sohn eines Predigers, etwa 30 Jahre alt, wird 1712 in der Kirche zu Götterswickerhamm konfirmiert. 1714 heiratet er, da er nun schon einige Jahre Schulmeister in Mehrum ist, Styn Bußmann aus Holthausen, Tochter des Heinrich Bußmann. 1715 stirbt Styn Bußmann an Kindbettfieber. 1716 ist vermerkt: Heinrich Rudolph ist bei einer Taufe in Mehrum Taufzeuge.

JOHANN GOTTLIEB SIEGEL aus Freistadt in Schlesien ist 1732 Lehrer in Mehrum, 1733 in Ossenberg, hernach wieder in Mehrum. Er heiratet 1733 Jenneken an gen Krüß aus Mehrum. 1737 wird den Eheleuten ein Sohn geboren. Als Beruf des Vaters wird angegeben Schulmeister in Mehrum.

JOHANN HEINRICH WALLRAFF, 1733 Lehrer in Mehrum, 24 Jahre alt, wird 1733 konfirmiert.

JOHANN ANDRIES STRESOW, Sohn des Pastors in Groß-Meilen in Pommern, ist 1739 in Mehrum. Er heiratet 1740 Ältgen Krüsken, die Tochter des Kornelius Krüsken in Mehrum. Bei der Proklamation legt der Bräutigam einen Schein von des Herrn Generals Baudissin Hand vor, daß er 1733 seinen Abschied genommen hat, nachdem er 7 Jahre bei der sächsischen Karabinergarde gedient hat. Im Herbst 1742 verließ Stresow seine Familie und ging nach Ostindien.

ANTON WARDEMANN, geboren 1710 in Speilen, ist 1751 unter dem Namen Anton Lepeler als Schulmeister in Mehrum angegeben, stirbt 1753 als Anton Wardemann genannt Lepeler.

HERMANN TATEN, geboren 1719 in Löhnen, gestorben 1793, war von 1757 bis 1764 Schulmeister in Mehrum.

BARTHOLD JORIS, Sohn des Wirtes und Ackerers Barthold Joris in Götterswickerhamm, geboren 1749, betreut von 1770 bis 1774 die Schule zu Mehrum, findet sich 1781 als Lehrer der lutherischen Gemeinde in Dinslaken, und dieses auch noch 1817.

JOHANN WITTENSCHLÄGER, Schulmeister in Mehrum in der Zeit von 1777 bis 1785. Er scheint in seiner Schulgemeinde beliebt gewesen zu sein, denn er wird oft zum Taufzeugen gewählt. Während seines Wirkens in Mehrum ist ein Johann Heinrich Wittenschläger Lehrer in Spellen, der bis 1764 in Löhnen amtierte.

BENJAMIN BÖNNEKEN, 1786/1787 Schulmeister in Mehrum. Er wurde 1762 in Hünxe geboren, war ein Sohn des dortigen Lehrers Johann Wilhelm Bönneken, versah von 1800 bis 1813 die Schule in Löhnen und wurde 1813 Polizeidiener der Bürgermeisterei Götterswickerhamm.

JOHANN ALBERT BECKER ist 1791/1792 Lehrer in Mehrum, dann bis 1801 Lehrer in Krudenburg, später in Hamminkeln.

BERNHARD EICKHOFF, Sohn des Lehrers Adolf Eickhoff in Voerde, geboren 1778, ist Lehrer in Mehrum von 1792 bis 1795, dann in Spellen von 1795 bis 1843, daselbst 1846 gestorben.

JAKOB BONGERT, gebürtig aus Damm, Kirchspiel Drevenack, wirkt in Mehrum von 1795 bis 1798, wird dann zum Lehrer in Voerde berufen.

BERNHARD TENBERGEN war in Mehrum Lehrer von 1799 bis 1801. Von ihm wird berichtet, daß er den bei den Bauern dienenden armen Soldatenkindern des Abends besonderen Unterricht erteilte. Für jedes Kind zahlt ihm die Gilde 20 Stüber. Als Johann Albert Becker (siehe oben) seine Stelle in Krudenburg aufgab, wurde Bernhard Tenbergen zu seinem Nachfolger daselbst berufen.
Nach dem Fortzug des Bernhard Tenbergen bemühten sich die Mehrumer Hausväter, einen neuen Lehrer zu bekommen, jedoch vergeblich. Damit ihre Kinder nicht ohne Unterricht blieben, ließen sie diese von einem Knaben, dem GERHARD RISSEL aus Götterswickerhamm, betreuen. Erst im Sommer 1803 konnten sie wieder einen neuen Lehrer einstellen, nämlich Wilhelm Bongert.

Johann Heinrich Walraff wird Pfingsten 1733 konfirmiert. Die Kopie zeigt eine Eintragung in das Konfirmationsregister mit dem abschließenden Vermerk „Johan Henrich Walraff, alt 24, schulmeister in marm".

Berufung des WILHELM BONGARDT

„Nachdem die Schullehrerstelle hierselbst durch das Abberufen des Bernhard Tenbergen nach der Crudenburg erledigt, selbige darauf ungefähr 1 1/2 Jahr durch den jungen Gerhard Rissel <***> interimistisch notdürftig verwaltet worden, die Notwendigkeit aber erforderte, daß diese Stelle hinwiederum mit einem geschickten Menschen besetzt werden mußte und zu dem Ende, nach eingezogener Erkundigung der Wilhelm Bongardt aus Hamminkeln als ein dazu geschicktes Subjekt vorgeschlagen, und von des Herrn Pastor Wesseler, Hochehrwürden, durch ein ihm erteiltes rühmliches Attest empfohlen, auch von hiesigen beiden Herrn Predigern Landmann und Meyer seiner Fähigkeit halber geprüft worden:
So haben wir Endes unterschriebenen Hausväter und Eingesessenen zu Mehrum eben gedachten Wilhelm Bongardt einhellig zu unserm Schulmeister erwählet. Wie wir denn kraft dieses Berufsscheins denselben zu unserm ordentlichen Schullehrer erwählen und berufen, also und dergestalt, daß er nicht nur überhaupt in seinem Amt sich als einen treulichen Arbeiter beweise, sondern auch Alten und Jungen mit einem guten und exemplarischen Leben und Wandel vorleuchte. Insonderheit aber die liebe Jugend in den dem Menschen und dem Christen nötigen Kenntnissen fleißig und treu unterrichte, selbige nicht nur das Buchstabieren, Lesen, Schreiben und Rechnen lehre, sondern auch vorzüglich die Erkenntnisse der christlichen Religionswahrheiten zufolge des kleinen Katechismus Luthers bei den Schulkindern mit allem Ernst und Sanftmut zu befördern suche, den Schulunterricht selbst im Sommer des Morgens um 8 Uhr und des Winters um 9 Uhr mit Gebet und Gesang anfange und schließe und die ihm anvertrauten Kinder durch Unterricht und gutes Beispiel immer weiser, verständiger und frommer zu machen sich beeifere. Dagegen versprechen wir dem Neuerwählten dreißig Reichstaler Klevisch als jährliches Gehalt, einen freien Tisch, wie es bisher Herkommen und gebräuchlich ist, in der Schule frei Feuer und Licht, wie auch ein Bett und monatlich frische Bettücher und ein reines Handtuch.
Zur Urkunde der Wahrheit ist dieser Berufsschein von uns eigenhändig unterschrieben und mit dem Kirchensiegel bedruckt worden.
So geschehen Mehrum, den Sten Junius 1803.
Gezeichnet Garitz, Schmits, Rockhof, Brinkamp, Kopmann, Röttgers, R. Gestkamp, Wennen, Caspers, J. Kemers, H. Dahms, Daems, H. Kemers, H. Kemers, H. Neuhaus, W. Lepler."
<***> Gerhard Rissel wurde 1788 als Sohn des Küsters und Schullehrers Derk Rissel in Götterswickerhamm geboren, war demnach ein Knabe von 13 —14 Jahren, als er die Schule in Mehrum verwaltete. Zum Beruf erwählte er das Schuhmacherhandwerk. Am 16. Juni 1815 fiel er als Musketier des Kolbergischen Linien-Infanterie-Regiments in der Schlacht bei Fleurus. Ihm zu Ehren wurde am 4. Juli 1816 eine Gedächtnistafel in der Kirche Götterswickerhamm angebracht.
Nach dem Zeugnis, das Pastor Wesseler zu Hamminkeln unter dem 22. Mai 1803 ausstellte, hat sich der in Hamminkeln geborene Wilhelm Bongardt seit einigen Jahren auf das Zimmerhandwerk gelegt und zugleich beim dortigen Gericht das Botenamt bedient. „Er bezeigt aber mehr Lust und Liebe zu einem Schulamt, um seine Kenntnisse, die er mit Fleiß gesammelt hat, auch zum Besten der Jugend zu verwenden."
Dem Wilhelm Bongardt scheint es aber dennoch in Mehrum nicht gut gefallen zu haben. Im Herbst 1804 rückt er bei Nacht und Nebel heimlich aus!
Die Mehrumer sind in großer Verlegenheit: „Wo ist für Mehrum ein qualifizierter Schullehrer herzunehmen? Der Schnabel steht heut zu Tage den Herrn Schullehrern so hoch, daß sie nicht gerne für höchstens 25 Reichstaler Gehalt und Freitisch dienen wollen!
- Letzterer ist zwar gut in Mehrum bis Lichtmeß, da haben die Bauern eingeschlachtet. Da gibt es Würste pp., allein nachher gehts nicht mehr so, und so möchte ein hochgelehrter Schullehrer unzufrieden werden!"
Auf die Stelle in Mehrum meldet sich einer namens JOHANN SCHMIDT, „ein Mensch, der 15 Jahre als Landeskapitulant gedient hat. Und es muß aus der Not eine Tugend gemacht werden; der Schmidt wird angenommen, damit die Jugend in dem Winter 1804/1805 einen notdürftigen Unterricht erhalte"!
Konnte auch der ehemalige Landeskapitulant und jetzige Schullehrer Schmidt die erforderliche Qualität nicht aufweisen, die sein neues Amt erforderte, so gab er sich doch große Mühe, sich zu vervollkommnen. Und die Mehrumer Hausväter waren mit ihm zufrieden. Wie er sich zum Freitisch stellte, berichtet der Pastor von Götterswickerhamm: „Der jetzige Schullehrer ist sauer und süß gewohnt, hat gelernt hoch und niedrig zu leben, ist bei Würsten, sowie bei Papp (eine durch Weizenmehl eingedickte Suppe) und Pfannkuchen vergnügt, verlangt keinen deutschen Käse, sondern ist mit dem Holländer zufrieden, hat Gehorsam im Kriege gelernt, kennt Subordination und glaubt mit Überzeugung, ohne daß er neidisch wird, daß seinem Pastor mit Recht eine Flasche Wein zukomme, weil sein ehe¬maliger Hauptmann sie auch getrunken habe."
Im Juni und August 1805 wird der Schullehrer Johann Schmidt (auch Schmitz und Schmidts) als Taufzeuge bei Mehrumer Familien angeführrt.

Sein Nachfolger ist REDLICH KÜHN, der von 1806 bis 1813 in Mehrum seines Amtes waltet. Er wurde am 27. Januar 1785 als Sohn des Lehrers Gottfried Kühn in Gahlen gebo¬ren. Dieser stammte aus Schmiedeberg, wo sein Vater Bürgermeister war. 1760 wirkte er an einer Realschule in Berlin, kam dann nach Gahlen und starb dort 1797 im Alter von 63 Jahren. - Redlich Kühn trat 1813 seine Stelle in Bruckhausen an und wirkte dort bis 1845.

Der von 1813 bis 1825 als Schullehrer zu Mehrum wirkende FRIEDRICH SCHMITZ gibt unter dem 6. Dezember 1859 zu Protokoll: „Ich bin jetzt 69 Jahre alt, wohne in Voerde-Stockum. Mein Vater war Lehrer in Holten. Im Frühjahr 1813 traten die Gemeindevorsteher Dietrich Rüttgers und Peter Ingenwerth an mich heran und baten mich, die Lehrerstelle in Mehrum zu übernehmen. Sie sicherten mir ein Gehalt von jährlich 45 Talern zu, außerdem den Wandertisch und die Bettwäsche. Vor der Amtsübernahme mußte ich bei den beiden Pastoren von Götterswickerhamm ein Examen ablegen, worauf am Nachmittag des 9. März 1813 meine Einführung erfolgte. Das Gehalt wurde mir in vierteljährlichen Raten zu je 11 1/4 Talern ausgezahlt. - Die Schule war an der Behausung des Schuhmachers Johann Lemm (genannt an gen Krüß) angebaut und höchst baufällig. Darin stand ein Bettkasten mit dem Bett für den Lehrer. Die Gemeinde lieferte das Bett und alle Monate die Bettwäsche."
Nach einem Bericht des Pastor Meyer von Götterswickerhamm, der die Schule in Mehrum besuchte, „um zu sehen, wie weit die dortige Jugend in der elementaren Bildung gekommen war", fand er die kleine Schulstube mit Kindern mehr als gewöhnlich angefüllt, so daß man sich kaum umdrehen konnte. Es war ihm nicht möglich, „länger als eine Viertelstunde darin auszuhalten". Das enge Stübchen, die Ofenwärme, die schlechte Luft drückten so sehr auf seine Brust, „daß er wieder die freie Luft suchen mußte".
Am 3. Oktober 1822 „gründete Herr Leonhard Friedrich Schmitz, Schullehrer zu Mehrum, Junggeselle, 32 Jahre alt", mit der 27 Jahre alten und 1795 in Mehrum geborenen Helena Wolters einen eigenen Hausstand.
Von ihren Kindern sind zu nennen Karoline, geboren 1823, geheiratet 1850 mit Heinrich Heiken aus Holthausen; Ferdinand, geboren 1824, heiratete 1847 Anna Peters, geboren
1821 in Holthausen; Dietrich, geboren 1827, wurde Maurer, heiratete 1849 Kath. Langhoff aus Speilen; Friedrich, geboren 1830, wurde Bahnarbeiter; Helene, geboren 1834, sie war die Ehefrau des Arnold Hülsermann aus Spellen; Wilhelm, geboren 1838, wurde Schneider und heiratete 1859 Gertrud Krüßmann.
1825 gab Friedrich Schmitz sein Lehreramt auf und verdiente von da an sein Brot als Tagelöhner. Nach dem Tode seiner Frau, die 1833 in Mehrum starb, verzog er nach Voerde-Stockum, woselbst er 1871 gestorben ist.
Während bisher sämtliche Schullehrer nach verhältnismäßig kurzer Zeit ihre Stellung aufgegeben hatten, trat 1825 ein Lehrer ein, der 50 Jahre lang die Mehrumer Jugend betreute.

Es war WILHELM KÜPPERDAMM, geboren 1805 in Bruck, Bürgermeisterei Kamp-Lintfort, Kreis Moers.
„Nachdem er einige Jahre zur Zufriedenheit der Eingesessenen und des Schulvorstandes die Schuljugend unterrichtet und derselben mit einem lobenswerten Wandel vorgegangen, wurde ihm, höherer Verfügung gemäß der gesetzliche Berufsschein ausgefertigt. Auf Grund des einstimmigen Wunsches sämtlicher Hausväter der Ortschaft Mehrum wurde er zum ordentlichen Lehrer berufen.
Mehrum, den 12. Dezember 1831."
Nach dem Berufsschein sollte er täglich, außer samstags, 6 Stunden unterrichten, durch sittliches Betragen der Schuljugend mit gutem Beispiel vorleuchten, sich aller Härte und Parteilichkeit bei den etwa nötig werdenden Strafen der Kinder gänzlich enthalten und den Stock nur dann erst gebrauchen, wenn keine Ermahnungen und Verweise mehr fruchten wollten und das zu bestrafende Kind offenbar Widerspenstigkeit zeige oder eines entehrenden Vergehens sich schuldig gemacht habe, sich bestreben, zwischen Eltern, Schuljugend und Lehrer das höchst nötige friedliche und freundschaftliche Einverständnis, selbst mit kleinen Aufopferungen, stets zu erhalten und wo möglich zu vermehren, die Kinder der oberen Klassen zum Besuch des Gottesdienstes fleißig ermahnen, alle halbe Jahre oder doch wenigstens alle Jahre vor dem Schulvorstand ein öffentliches Examen mit der Schuljugend anzustellen und dadurch der Gemeinde seine Treue und seinen Fleiß in seinem Amte beweisen.
Die Gemeinde verspricht ihm
1. das festgesetzte Normalgehalt zu 66 2/3 Talern,
2. an Schulgeld von jedem Kinde monatlich 2 Silbergroschen 4 Pfennig,
3. freie Wohnung im Schulhause, nebst Nutzung des dazu gehörigen Gartens und des Ackerlandes, zusammen 300 Ruten holl. groß.
Während der ersten sechs Jahre seines Wirkens in Mehrum hatte sich manches geändert. Es gab nicht mehr die an Johann Lemmen Haus angebaute, baufällige Schulstube mit dem Bettkasten für den Lehrer, nicht mehr den Wandertisch, nicht mehr 12 Taler Gehalt, sondern ein neues, 1827 erbautes Schulhaus mit ordentlicher Lehrerwohnung und einem Unterrichtsraum. Seit 1828 gab es auch das sogenannte Normalgehalt von 66 Talern, zu dem ihm 1832 eine Zulage von 25 Talern gewährt wurde.
Am 29. Mai 1850 feierte Lehrer Wilhelm Küpperdamm sein 25jähriges Amtsjubiläum. Die Lehrer aus der Umgebung (Löhnen, Götterswickerhamm, Dinslaken, Aldenrade, Hiesfeld) begaben sich am Nachmittag des Festtages nach Mehrum, wo sie den Jubilar beim Unterrichten in seiner Schule antrafen. Sie überreichten ihm als Jubiläumsgeschenk ein pädagogisches Werk.
Auch die Mehrumer Gemeinde hatte ihn mit einem Geschenk bedacht, doch keine beson¬dere Feier veranstaltet. Die „Frau Lehrer" lud die Gratulanten zum Kaffee ein. Draußen,
unter der Linde, hatte sie den Tisch gedeckt. Dort saßen alle bis abends sieben Uhr in froher Runde zusammen. (Quelle: Protokollbuch der 1844 gegründeten Hiesfelder Lehrerkonferenz).
Im Jahre 1830 heiratete Lehrer Küpperdamm die 1798 in Mehrum geborene Elisabeth Ingenwerth, welche ihm vier Kinder schenkte, von denen das erste und das dritte in jungen Jahren starben. Es blieben ihnen zwei Töchter: Margarete, geboren 1834, die 1857 Jakob Ettwig in Mehrum heiratete, sowie Aletta, geboren 1839, im Jahre 1864 mit Jakob Lange, Schneidermeister in Wesel, geheiratet.
Als Lehrer Küpperdamm 1875 in den Ruhestand trat und die Lehrerwohnung räumen mußte, brauchte er sich wegen einer neuen Wohnung keine Sorge zu machen. Schon 1844 war er im Besitz eines Hauses von Röttger genannt Köhnen, das er nun bezog. Hoch geachtet in seiner Schulgemeinde verlebte er einen gesegneten Lebensabend. 1886 ist er daselbst gestorben.

Schul-Chronik Mehrum. Eingetragungen des Lehrers Küpperdamm aus dem Jahre 1872.

Durch die Berufungsurkunde vom 21. September 1875 wird der Lehrer HUGO AGATS an der einklassigen Volksschule zu Mehrum provisorisch angestellt und ihm gleichzeitig ein Gehalt von 1275 Mark, wovon 30 Mark als Pacht für ein Grundstück von 27 a abgerechnet werden, und die Nutznießung des Lehrerhauses und des zu demselben gehörenden Gartens zugesichert.
Seine endgültige Anstellung erfolgt am 7. Februar 1879. Im Schuljahr 1879/1880 hat er 72 Kinder zu unterrichten; nach einem Vermerk vom 10.März 1881 beträgt die Schülerzahl 66. Hugo Agats läßt sich 1909 pensionieren und bezieht sein Eigenheim, das er an der Straßenkreuzung Alexanderstraße - Prinzenstraße in Voerde hat bauen lassen.

Klassenbild um 1900 mit Lehrer Agats.
Lehrer Hugo Agats, an der Schule zu Mehrum von 1875 bis 1909.

Die Schule in Mehrum

nach Aufzeichnungen von Lehrer Küpperdamm in der Zeit von 1825 bis 1875.
Die Schule in Mehrum besteht urkundlich seit 1692, jedenfalls scheint sie aber um 1600 schon vorhanden gewesen zu sein. Sie wurde unterhalten aus den Geldern des Gildefonds, einer freien Vereinigung von Mehrumer Einwohnern, der alle jetzt noch vorhandenen Gemeindegründe gehörten.
Von den Einkünften der Gilde, die 1823 ca. 34 Reichstaler 7 Groschen 6 Pfennig betrugen, wurde der Lehrer bezahlt. Die jeweiligen Schulvorsteher beaufsichtigten ihn. Die Schulstube stand auf dem Grund und Boden, der dem Hause Mehrum gehörte. Nach der Errichtung einer neuen Schule fiel das alte Gebäude an das Schloß Mehrum. Der Lehrer wurde von der Gemeinde etwa wie ein Knecht gemietet, und je nach der Art des Vertrages, den man mit ihm abschloß, bekam er 12, 15 oder 20 Reichstaler Lohn, den sogenannten Wandertisch und von jedem Kind 5 Stüber Schulgeld.
Durch listige oder auch nachlässige Gildevorsteher wurden die Gildeländereien im Jahre 1810 in Gemeindeländereien umgewandelt. Um 1820 erhielt der Lehrer aus der Gemeindekasse 12 Reichstaler Berl.cour. Die Schule bekam das Brandgeld, der Lehrer behielt den Wandertisch. Als der damalige Lehrer Küpperdamm (Verfasser des Berichtes) mit seiner Familie dort wohnte, zahlte die Gemeinde freiwillig 37 Reichstaler Kostgeld; der Wandertisch wurde aufgehoben.
Unter der regierenden Fremdherrschaft wurde zwar von dem damaligen Schulrat zu Emmerich, Asmus v. Otterbein, ein Stundenplan entworfen. Doch scheint es, daß der Gildevorstand unter Hinzuziehung der Pfarrer in Götterswickerhamm die alleinige Schulaufsicht ausgeübt hat. Der im Jahre 1813 mit dem Lehrer Schmitz abgeschlossene Vertrag hat keiner Behörde zur Genehmigung vorgelegen.
Etwa 1822 sind die ersten hiesigen Schulvorsteher angeordnet worden und von 1826 an war die Lehrerstelle so eingerichtet, wie sie dann auch in der Folgezeit bestanden hat. Die Königliche Regierung in Düsseldorf forderte als Normalgehalt 66 1/2 Taler, dazu kamen 37 Taler Kostgeld und noch weitere 25 Taler. Zunächst nach 1826 erhielt der Lehrer außer den angeführten Beträgen (Gehalt und Wandertisch = 37 Taler) noch von jedem Kind jährlich 2 Silbergroschen Schulgeld. Als 1833 das Schulgeld auf 3 Silbergroschen erhöht werden sollte, war das den Leuten zuviel. Fortan wurden statt der 3 Silbergroschen als jährli¬che Abfindung 25 Taler gezahlt. So ist das Gehalt von 127 Talern entstanden. 1875 erhielt Lehrer Küpperdamm ca. 250 Taler.
Die alten Gildeakten, die hierüber noch mehr aussagen könnten, sind zum Ende des 18. Jahrhunderts verbrannt. Die Schulakten hat der Schulvorsteher Tendering mitgenommen und die Rückgabe verweigert.
Der Schulgarten nebst dem Ackerland wurde durch Tausch und Kauf 1826 erworben, Schule und Lehrerhaus 1827 und die Stallungen 1832 erbaut. Im Jahre 1876 wurde das Wohnhaus abgebrochen. Zwischen der Schule und dem Stall wurde ein neues Wohnhaus errichtet. Das Schulzimmer ist 1861 vergrößert worden.
Über das Verhältnis zwischen Regierung und Gemeinde geben die Verhandlungen über die beabsichtigte Zusammenlegung der Schulen in Götterswickerhamm, Löhnen, Möllen und Mehrum ein interessantes Bild. Die Regierung griff erstmals 1822 in die Schulangelegenheiten der hiesigen Gemeinde ein, indem sie Schulvorsteher per Verfügung einsetzte. Jedoch tiefer einschneidend war erst der Plan, den die Regierung 1823 der Gemeinde Mehrum unterbreitete. Sie wollte nämlich die Einzelschulen von Löhnen, Möllen und Mehrum aufheben und dafür eine mehrklassige Schule in Götterswickerhamm einrichten.
Im Jahre 1823 wurden folgende Schulkinder gezählt:
Götterswickerhamm = 87
Mehrum = 31
Löhnen = 41
Möllen = 30 ca.
zusammen 189 Schulkinder.

Gegen diesen Plan setzte sich die Gemeinde erfolgreich zur Wehr, so daß die Regierung schließlich von ihrem Vorhaben abließ.
Aus der schriftlichen Eingabe der betroffenen Gemeinden vom 24. Mai 1823 ist zu entnehmen:
„Unsere beiden vereinten in der nächsten Nachbarschaft zusammengelegenen Ortschaften (Mehrum und Reeshoven) besitzen von alters her und wie nähere Dokumente nachweisen, schon vor dem Jahre 1600 eine eigene Schule. Der Fonds, aus welchem das Schullehrergehalt gezahlt wird, sind Grundstücke, die Gilde- oder Bruderschaftsländereien genannt, welche ein Privateigentum unserer beiden Ortschaften sind und der Pachtvertrag jährlich 34 Taler 7 Groschen 6 Pfennig ist.
Aus diesen Einkünften wurden dem Schullehrer jährlich 12 Taler und ebensoviel für die Stubenheizung bezahlt. Auch wurden die nötigen Reparaturen für das Schulzimmer daraus besorgt. Der Weg nach dem Dorfe Götterswickerhamm beträgt volle 3/4 Stunde, führt neben dem steilen Ufer des Rheins und ist daher für Kinder sehr gefährlich. Bei hohem Wasserstand ist der Communicationsweg völlig abgeschnitten.
Die meisten Bewohner unserer Ortschaft sind arme Tagelöhner, welche ihre Kinder nicht warm genug kleiden können, um sie im Winter 1 1/2 Stunden der Kälte auszusetzen, und zu arm sind, um ihren Kindern täglich den Korb zum Mittagessen zu füllen. Im Hause der Eltern essen die Kinder die geringste Kost mit den Eltern, ein gewisses Ehr- und Schamgefühl würde sie abhalten, solche Kost den Kindern mit im Korbe zur Schule zu geben, sie würden also entweder, um es den Vermögenden gleichzutun, sich über ihre Kräfte anstrengen, oder ihre Kinder garnicht in die Schule schicken. Wir machen uns anheischig, mit Hilfe der Einkünfte unseres Gildelandes dem Schullehrer das Normalgehalt von 66 1/3 Taler Berl.cour. zu sichern und mit Hilfe von 250 Talern Berl.cour., welche nach der Versicherung des Herrn Bürgermeisters für uns zum Bau einer Schule in die Gemeindekasse disponibl sind, ein angemessenes Schulhaus zu bauen und zu unterhalten.
Im Namen der Eingesessenen: Ettwig, Kirchenvorsteher - Johann Schmitz, id.  Gerritz, Gemeinderat und Kirchenältester."
Die Aufzeichnungen über die Schule in Mehrum von Walter Neuse enden mit dem Fortgang des Lehrers Hugo Agats, der sich im Jahre 1909 pensionieren ließ und sein Haus in Voerde an der Alexanderstraße bezog.
Die Geschichte dieser Schule wäre jedoch unvollständig, würde sie nicht bis zum Ende ihres Bestehens fortgeschrieben.
Von 1909 bis 1913 unterrichteten an der Schule nacheinander die Junglehrer
GRISBACH, CLAUBERG und PERRET.
Grisbach bewohnte zuweilen die Lehrerwohnung im Schulgebäude, ebenso Perret, dessen Eltern in Hamborn wohnten. Wie lange jeweils die einzelnen Junglehrer hier unterrichteten, ist nicht näher bekannt.

Am 1. Oktober 1913 wurde dann die Lehrerstelle wieder hauptamtlich besetzt. Aus Hamborn war der auch dort schon tätig gewesene Lehrer
OTTO HEYNBERG, geboren 17. Januar 1875, mit seiner Ehefrau Maria Elisabeth und der Tochter Martha nach Mehrum gekommen. Die Familie Heynberg wohnte in der Schule bis zum 31. März 1925, ehe sie nach Friedrichsfeld verzog.

Klassenbild der Mehrumer Schüler 1920/21 mit Lehrer Heynberg.
Lehrer Otto Heynberg, an der Schule zu Mehrum von 1913 bis 1925.

Die Tochter, Frau Martha Heynberg, selbst viele Jahrzehnte Lehrerin an Voerder Schulen gewesen, wußte sich gut zu erinnern, daß ihr Vater gerne in Mehrum unterrichtet hatte und wohl auch sehr beliebt gewesen war. Als er 1925 die Schule verließ, war es ihm eine Herzensangelegenheit, sich von den Eltern seiner Schülerinnen und Schüler persönlich zu verabschieden.
Die Anfangsjahre in Mehrum waren durch die Kriegszeiten 1914 bis 1918 besonders stark geprägt. Auf Anweisung des Schulrates in Dinslaken hatte Otto Heynberg nach Kriegsausbruch 1914 auch die Kinder in der einklassigen Volksschule in Löhnen, deren Lehrer zum Kriegsdienst einberufen worden war, zu unterrichten. Später wurde ihm auch noch die einklassige Schule in Götterswickerhamm zugeteilt.
Kriegsbedingt vollzog sich der Schulunterricht folgendermaßen: Von 7,00 Uhr bis 10,00 Uhr in Mehrum, von 10,30 Uhr bis 13,30 Uhr in Löhnen und von 14,00 Uhr bis 17,00 Uhr in Götterswickerhamm. Da auch der Berufsschulunterricht in Voerde ausgefallen war, sollte Otto Heynberg an bestimmten Tagen auch nach Voerde fahren. Das lehnte er jedoch ab, da er alle Dienstfahrten nur mit dem Fahrrad bewältigen konnte.
Die am Berufsschulunterricht teilnehmenden Schüler entschlossen sich daher, ihren Lehrer Heynberg abends in Mehrum aufzusuchen. Hier erhielten sie dann also ihre schulische Unterweisung. Die Schule in Mehrum zählte zu dieser Zeit durchschnittlich 58 Kinder in den Schulklassen 1 bis 8. In Löhnen lagen die Verhältnisse etwa gleich, während in Götterswickerhamm weniger Kinder zu unterrichten waren.
Eine Besonderheit für die Mehrumer Schule war, daß die Herrschaft von Haus Mehrum für den Musikunterricht ein Klavier zur Verfügung stellte, das auch in der Schule stehen bleiben durfte.
Otto Heynberg starb am 30. September 1960 in Friedrichsfeld, er wurde 85 Jahre alt.

HERMANN BREYMANN aus Dinslaken tritt am 1. April 1925 die Nachfolge von Otto Heynberg an und wird Dorfschullehrer in Mehrum. Er ist am 14. Januar 1898 in Dinslaken geboren und seit dem 18. Dezember 1922 mit Christine, geb. Lantermann, geboren am 11. März 1898 ebenfalls in Dinslaken, verheiratet.
Die alte Schulchronik von Mehrum, in die auch sonstige Geschehnisse aus dem Dorf ein¬getragen wurden, soll angeblich bei den Kämpfen im Frühjahr 1945 abhanden gekommen sein.
Nach Aussagen der damaligen Lehrerin Frl. Göppert, jetzige Frau Stein, hat sie selbst bis zum Jahre 1947 jedoch noch Eintragungen in diese alte Schulchronik vorgenommen. Heinz Lemm aus Voerde, Sohn von Heinrich Lemm und Johanna, geb. Hülsemann, verfaßte nach dem Krieg eine Familienchronik, aus der zu entnehmen ist, daß er hierfür auch die Schulchronik von Mehrum eingesehen haben muß.
So wird also über die Schule Mehrum in der Zeit von 1925 bis 1954 aus der Erinnerung berichtet. Frau Ulla Krieg, Tochter von Hermann und Christine Breymann, hat hier in dankenswerter Weise mitgeholfen, diese Zeiten zu beschreiben.
Mit den großen Schülern und Schülerinnen machte Hermann Breymann in den Sommerferien Jugendherbergswanderungen. Sehr oft stand ihm seine Frau Christine hilfreich zur Seite. Wiederholt fuhren auch Mütter von Schulkindern mit, um den Kindern das Essen zu kochen und die ordnende Hand von zu Hause ein wenig walten zu lassen. Die erste große Fahrt ging in den Hochschwarzwald. Die Anfahrt erfolgte mit dem Zug.
Im Jahre 1928 führte die jährlich stattfindende Ferienfahrt nach Helgoland. 1934 fand eine gemeinsame Fahrt mit den Schülern aus Götterswickerhamm ins Sauerland statt.
Im nächstfolgenden Jahr - 1935 - wurde das bergische Land erwandert. Zunächst ging es mit dem Zug bis Mülheim an der Ruhr. Von hier aus wurde dann nach Heiligenhaus gewandert, anschließend zur Burg an der Wupper. Unterwegs wurden Wanderlieder gesungen, die vorher in der Schule eingeübt worden waren. Zuweilen klangen die Stimmen schon mal mehr oder weniger müde!

Klassenbild der Mehrumer Schüler 1927 mit Lehrer Breymann.
Lehrer Hermann Breymann, an der Schule zu Mehrum von 1925 bis 1954.
Klassenbild der Mehrumer Schüler .... mit Lehrer Breymann.

Das Jahr 1937 sah die Mehrumer Schüler mit ihrem Lehrer Hermann Breymann mit den Fahrrädern in der Eifel unterwegs. Über diese Fahrt ist an anderer Stelle ausführlich unter der Überschrift „Mit dem Stahlroß in die Eifel" berichtet.
Dieses Fahrterlebnis muß wohl Lehrer und Schüler so beeindruckt und gut gefallen haben, daß im folgenden Jahr — 1938 — wiederum mit den Fahrrädern „gewandert" wurde. Das diesjährige Ziel war Norddeutschland mit der Stadt Kiel.
Ende August 1939 wurde Hermann Breymann für eine kurze Zeit, etwa ein halbes Jahr, Soldat in Wesel. Während dieser Zeit wurde er in der Schule Mehrum von Lehrerkollegen aus den Nachbarorten vertreten.
Hermann Breymann liebte den Gesang. Und so kam es nicht von ungefähr, daß er während seiner Zeit in Mehrum den dortigen Männergesangverein „Germania" Mehrum dirigierte. In den ersten Jahren gab es am Heiligabend die Schulweihnachtsfeier im Saal Mölleken. Die Männer des Gesangvereins errichteten eine Bühne. Der Abend war ausgefüllt mit Theaterstücken, Weihnachtsliedern, Märchenerzählungen. In späterer Zeit fanden diese Weihnachtsfeiern dann immer einige Tage vor dem Heiligabend statt.
Für jeden Schüler gab es eine Weihnachtstüte mit Süßigkeiten, Obst, Nüssen und Gebäck. Diese Gaben wurden alle aus Spenden bezahlt. Die noch schulpflichtigen Kinder erhielten dann auch noch Spekulatiusmänner, die der Wirt und Bäcker Ziegler gebacken hatte. Der Geburtstag des Lehrers war in Mehrum immer ein Schulfesttag. Am Tag vor dem 14. Januar wurde die Schulklasse von den großen Schülern ausgeschmückt. Aus den abgelegten Weihnachtsbäumen wurden Girlanden gebunden und mit Lampions behängt. Mit Liedern und Gedichten erfreuten die Schüler Jahr für Jahr ihrer Lehrer.
Im September 1944 wurde Hermann Breymann wieder Soldat. Im Oktober kam er bei Aachen in amerikanische Kriegsgefangenschaft und blieb als Kriegsgefangener bis Mai 1946 in Kalifornien/USA.
Ansicht der Mehrumer Schule vom Reeshover Weg aus.

Im letzten halben Jahr des Krieges (1944/45) waren in der Schule Mehrum russische Zivilgefangene untergebracht. Auf die Bitte von Gerhard Hüser haben die Töchter von Hermann Breymann, Lore und Brigitte, in seinem Wohnzimmer die Kinder von Mehrum unterrichtet.
Das Schulgebäude und das Wohnhaus wurden beim Rheinübergang der Alliierten Truppen durch Granaten stark beschädigt, vor allem die Dächer. Es hat sehr lange gedauert, ehe das Haus notdürftig wieder hergerichtet war, um darin unterrichten zu können. In den letzten Kriegstagen wurde eine der großen auf dem Schulhof stehenden Linden durch Geschosse und Granatsplitter derart beschädigt, daß sie später gefällt werden mußte. Unter ihr waren bei den Kämpfen Ende März 1945 zwei gefallene deutsche Soldaten beerdigt worden, die aber kurze Zeit später auf dem großen Soldatenfriedhof in Voerde beigesetzt wurden.
Nach der Rückkehr aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft im Mai 1946 nahm Hermann Breymann ab Juni 1947 den Schulunterricht in Mehrum wieder auf. In der Zwischenzeit, von 1945 bis 1947, war die Lehrerin Hildegard Göppert, jetzige Frau Stein, als Dorfschullehrerin eingesetzt. Der Unterricht fand in dieser Zeit in der Gaststätte Mölleken statt.
Lehrer Rudolf Krieg, an der Schule zu Mehrum von 1954 bis 1959.
Am 31. März 1954 scheidet Hermann Breymann aus dem Schuldienst in Mehrum aus und übernimmt eine Lehrerstelle an der Pestalozzi-Schule in Voerde, deren Rektor er 1956 wird. Die „Neue Schulchronik" wird nach dem Fortgang von Hermann Breymann fortgeführt von seinem Nachfolger (und Schwiegersohn) RUDOLF KRIEG. Er trat am 27. April 1954 den Dienst an der einklassigen Volksschule in Mehrum an. Zuvor unterrichtete er an der Ev. Volksschule in Bruckhausen. Die Mehrumer Schule zählte in den 8 Jahrgängen 23 Knaben und 17 Mädchen, zusammen 40 Schüler.
Zu einem besonderen Tag wurde der 29. Juli 1954. Die Familie Breymann hatte in Voerde an der Steinstraße eine Dienstwohnung erhalten und verließ nun nach fast 30 Jahren Mehrum. Sie wurde, da sie so lange mit dem Dorf Mehrum verbunden gewesen war, von den Schulkindern und der ganzen Dorfgemeinschaft in einer Abschiedsfeier im Saale Ziegler (Mölleken) im Beisein von Schulrat Grote und Pastor Walther Petri aus Götterswickerhamm herzlich verabschiedet. Die Schulkinder gaben mit Liedern und Gedichten und der Gesangverein „Germania" Mehrum mit Chören der Feier ein festliches Gepräge.
Seit dem 10. August desselben Jahres bewohnt nun Rudolf Krieg mit seiner Familie das Schulhaus, „in dem noch viel instandzusetzen ist".
Seit September erteilt seine Frau Ursula, geb. Breymann, zwei Stunden in der Woche Handarbeitsunterricht.
Am 6. Dezember 1954 wird mit Hilfe der Männer des Gesangvereins, dessen Dirigent Rudolf Krieg ist, aus dem alten Feuerwehrschüppchen im Stallgebäude eine brauchbare Garage. Die Gemeinde Voerde gab 150,00 DM dazu.
Knapp eine Woche später stellt eine Bauamtskommission fest, daß das alte Schulgebäude einsturzgefährdet ist.
Der Winter 1954/55 verzeichnet ein starkes Hochwasser des Rheines bei Mehrum mit dem Höchststand am 20. Januar.
Im April 1955 werden zur Einschulung 34 Kinder - 17 Knaben und 17 Mädchen - gezählt. Im September desselben Jahres finden die Schulkinder bei Ausschachtungsarbeiten auf dem Geestweg große Tonscherben aus verschiedenen Zeitaltern, die ältesten aus der jün¬geren Steinzeit.
Das Schuljahr 1956 beginnt am 12. April mit 29 Kindern, 12 Knaben und 17 Mädchen. Wegen der Rückkehr des Saargebietes in die Bundesrepublik Deutschland findet am 19. Januar 1957 eine Feierstunde in der Schule statt. Anschließend fällt der Unterricht aus. Zum Tag des Baumes wandert das 3. bis 7. Schuljahr zum Hünxer Wald.
Der 25. April 1957 läßt den Schulunterricht mit 15 Knaben und 19 Mädchen beginnen.
Auch sind neue Schulmöbel vorhanden. Am 27. September fehlen 20 Schulkinder wegen Grippe. Daraufhin wird die Schule eine Woche geschlossen.
Die Schulkinder vernehmen die sensationelle Nachricht über „Sputnik", den ersten russi¬schen Erdsatelliten, der seit dem 4. Oktober 1957 die Erde in 96,2 min. in etwa 900 km Höhe umkreist.
Die Schule und ihre Kinder waren hier in Mehrum zu allen Zeiten Teil der dörflichen Gemeinschaft. Ob Festtag, Feiertag oder Trauertag, bei allen Anlässen wirkten die Kinder mit. So wurde am 22. Oktober 1957 Opa Hermann Wolters, fast 93 Jahre alt, zu Grabe getragen. Die Kinder sangen ein Lied zu seinem Angedenken. Schon drei Jahre zuvor hat¬ten sie ihm, als er den 90. Geburtstag feierte, an seinem Haus ein Ständchen gebracht.
Es ist vermerkt, daß es seit dem 27. Januar 1958 in Mehrum an der „Pleck" und zwischen Gieseck und Ettwig nun endlich eine Straßenbeleuchtung gibt.
41 Schulkinder werden bei Schulbeginn am 17. April 1958 registriert, 19 Knaben und 22 Mädchen. Nach langjährigem Drängen des Lehrers und der Elternpflegschaft errichtet die Gemeinde Voerde während der großen Ferien einen Gruppenraum als Anbau zum Schulgebäude, dazu moderne Toilettenanlagen und einen Geräteraum.
Am 29. Oktober 1958 sind die Mehrumer Menschen erschüttert über die Nachricht vom Tode ihres einstigen Lehrers Hermann Breymann. Von den 38 Jahren, die er sich der Erziehung der Jugend widmete, verbrachte er fast 30 Jahre in Mehrum. In tiefer Trauer und Andacht verneigen sie sich vor einem Menschen aus ihrer Mitte, den sie geschätzt und verehrt haben. In ihrer Ausgabe vom 30. Oktober 1958 würdigt eine Dinslakener Tageszeitung Schaffen und Wirken des Landrats des Kreises Dinslaken und Bürgermeisters der Gemeinde Voerde Hermann Breymann. Die Erziehung der Jugend und die Entwicklung seines Heimatkreises lagen ihm gleichermaßen als Lebensaufgaben am Herzen. Er war stets ein Mann des Ausgleichs, der sich immerfort bemühte, Gegensätze zu überbrücken, um so zu fruchtbarer und erfolgreicher Zusammenarbeit zu gelangen.
Ostern 1959 ist vorbei und wiederum gehen 41 Kinder in die Mehrumer Schule, 17 Knaben und 24 Mädchen. In den Osterferien ist der Schulraum mit den Nebenräumen gründlich überholt worden: Fußböden erneuert, neue Schultüre eingebaut, die restlichen Anstreicherarbeiten erledigt, der Schulhof ist nun asphaltiert. „Nun haben wir endlich eine zweckmäßig eingerichtete und schöne Schule, in der die Schulkinder und der Lehrer mit Freude an die Arbeit gehen können", schreibt Rudolf Krieg am 16. April 1959.
Die Eröffnung des Voerder Freibades am 27. Juni 1959, das wenig später nach Hermann Breymann benannt wird, ist wohl auch für die Mehrumer ein besonderes Ereignis. In diesem Jahre vermerken wir fast 10 Wochen hochsommerliche Temperaturen.
Am 1. August 1959 wird Rudolf Krieg durch Verfügung der Bezirksregierung Düsseldorf als Schulleiter an die Ev. Volksschule in Bucholtwelmen berufen. Nach fünf Jahren verläßt er Mehrum.
„Ich scheide von Mehrum, das mir in den Jahren meiner hiesigen Tätigkeit ans Herz gewach¬sen ist, mit den besten Wünschen für eine segensreiche Zukunft der Schule, ihrer Lehrer und Kinder."
HORST DICKMANN, Sohn von Lehrer Heinrich Dickmann in Stockum, wird im Alter von 30 Jahren am 12. August 1959 an die Ev. Volksschule Mehrum abgeordnet. Zuvor unterrichtete er seit 1954 an der Ev. Volksschule in Möllen. Er begann seinen Unterricht mit 17 Knaben und 24 Mädchen, die den „Neuen" kritisch musterten. Doch die inzwischen gemachten Erfahrungen mit einklassigen Landschulen halfen ihm, die neue Aufgabe mit gutem Mute anzugehen.
Klassenbild der Mehrumer Schüler mit Lehrer Krieg in der Dechenhöhle beim Schulausflug am 14.9.1954.

Da es ein heißer Sommer ist, dürfen die Kinder des 5. bis 8. Schuljahres ins neue Freibad nach Voerde, um das Schwimmen zu erlernen, „denn nur wenige Kinder können schwimmen"
Die Gemeinde Voerde stellt für das laufende Schuljahr wiederum 300,00 DM für Lehr-und Lernmittel, 100,00 DM für Werkunterricht und 60,00 DM für die Schülerbücherei zur Verfügung.
Nach wie vor unterrichtet Frau Ursula Krieg die Mädchen im Fach Nadelarbeit.
Der „neue Schulmeister" wird auch von den Mehrumer Dorfbewohnern recht kritisch „unter die Lupe" genommen. Anläßlich der Nottekirmes zum Erntedankfest, die in Mehrum alljährlich kräftig gefeiert wird, bekommt Horst Dickmann aber dann doch den richtigen Kontakt mit der Bevölkerung und mit den Eltern seiner Schulkinder.
Von Ende November an wird die Schule geschlossen, da nahezu die Hälfte der Schulkinder an Mumps erkrankt ist.
Im Frühjahr 1960 muß das Dorf Mehrum von seinem alten Wahrzeichen, dem Haus Mehrum, Abschied nehmen. Das beim Rheinübergang der Alliierten 1945 stark zerstörte Gebäude war mehr als 15 Jahre der Witterung ausgesetzt. An einen Wiederaufbau ist nicht zu denken. Die Reste der Ruine werden in ein ausgekiestes Baggerloch am Rhein geschüt-tet. Das Wahrzeichen, mit dem Dorf und Menschen in Mehrum über viele Jahrhunderte untrennbar verbunden gewesen sind, gibt es nun nicht mehr. Und diese Tatsache machte doch viele Menschen hier am Rhein sehr betroffen.
Das Schuljahr 1960/61 beginnt mit 46 Kindern, die Klasse ist bis auf den letzten Platz besetzt. Der neue Gruppenraum bedeutet für den Unterricht eine große Erleichterung. Die endgültige Versetzung von Horst Dickmann nach Mehrum vollzieht der Schulrat zum 1. April 1960.
Auf Vorschlag von Horst Dickmann beschließt die Elternversammlung eine freiwillige Elternspende, die vom Elternvorstand verwaltet wird und als Fahrtkostenzuschuß für Schulfahrten gedacht ist. In dieser Versammlung wird nochmals kritisiert, daß der Lehrer Horst Dickmann nicht bereit ist, die Chorleitung des Gesangvereins zu übernehmen. Doch die Mehrzahl der anwesenden Eltern steht auf seiner Seite und vertritt die Ansicht, „daß der Lehrer in erster Linie die Kinder zu unterrichten hat, er muß nicht unbedingt als Dirigent tätig sein". Für die Zukunft beabsichtigt er, eine Blockflötengruppe zu bilden, die zur Ausgestaltung von Schul- und Dorffeiern beitragen kann.
Bei gutem Wetter fährt Horst Dickmann mit den größeren Kindern mit dem Fahrrad zum Schwimmunterricht im Freibad Voerde.
Neben der asphaltierten Schulhoffläche wird eine Rasenfläche vorbereitet und darin ein Stufenreck einbetoniert. Auf der Obstwiese hinter der Schule heben die Jungen eine 3 x 5 m große Weitsprunggrube aus. Den Sand hierfür liefert die Kiesbaggerei Johann Bracukmann aus Mehrum kostenlos.
Zu allen Zeiten sind die Mehrumer Schulkinder immer sehr sportlich gewesen. In keinem Jahr werden die Schulwettkämpfe, Bannerwettkämpfe, Bundesjugendspiele oder andere Sportveranstaltungen ausgelassen.
Das Lehrerwohnhaus scheint nun inzwischen so reparaturbedürftig geworden zu sein, daß sich Horst Dickmann in einer zwei Seiten umfassenden Eingabe vom 23. Juli 1960 hilfe¬suchend an die Gemeinde Voerde wendet.
Am 30. September 1960 verstirbt der frühere Schulleiter der Schule Mehrum, Otto Heynberg. Er war von 1913 bis 1925 in Mehrum tätig. Die älteren Mehrumer Dorfbewohner nehmen an der Beisetzung teil.
Nicht ganz einen Monat später, am 19. Oktober desselben Jahres, verstirbt der Heimatforscher Hauptlehrer i. R. Walter Neuse aus Möllen im Alter von 79 Jahren. Walter Neuse hat uns einen unermeßlichen Reichtum an heimatgeschichtlichem Nachlaß hinterlassen. Bereits im Oktober beginnen die Vorbereitungen für die Weihnachtsfeier, wie sie in der zurückliegenden Zeit jedes Jahr stattgefunden hat. Doch dieses Mal soll es etwas besonderes werden. Das Klassenzimmer erhält eine neue Bühne mit Vorhang und Papierkulissen. Um allen Dorfbewohnern den Besuch der Weihnachtsfeier zu ermöglichen, spielen die Kinder an zwei Tagen. Im Zuschauerraum haben jeweils nur 100 Besucher Platz. Die Kinder der Unterstufe spielen das Stück „Schelmenstreiche im Wichtelreiche". Die Oberstufenkinder haben mit viel Fleiß das besinnliche Stück „Da kommt Frau Lüttjohann" eingeübt. Für die Bescherung der Kinder haben die Dorfbewohner nach alter Tradition gesammelt. Der Weihnachtsmann, Heinrich Biefang, wird die prallgefüllten Tüten überreichen. - Abschließend der Lehrer: „Die Aufführung war ein voller Erfolg. Auch bei meinen Gegnern habe ich an Ansehen gewonnen!"
Schuljahr 1961/62. 38 Kinder besuchen die Schule. Nach einem verregneten Mai ist nun auch der Juni sehr regenreich. Das Wasser des Rheines stieg so stark an, daß das Heu auf den Weiden vor dem Deich weggeschwemmt ist.
Vom 13. bis 16. Juni 1961 nimmt Horst Dickmann an einem Prüfungslehrgang zur Erlangung der Lehrbefähigung für die Evangelische Unterweisung teil. Fräulein Greff von der Schule in Speilen übernimmt die Vertretung.
Rudolf Krieg verläßt am 30. August 1961 mit seiner Familie die Dienstwohnung in Mehrum. Nach eingehender Bauzustandsprüfung erscheint eine Reparatur des Gebäudes nicht mehr lohnend. „Meine Hoffnung, bald nach Mehrum ziehen zu können, muß ich begraben." Der seit dem Frühjahr bestehende Gemüsegarten und die dort stationierten 8 Bienenvölker müs¬sen weiterhin von Stockum aus betreut werden.
Große Unruhe verbreitet der Plan einiger Leute in der Verwaltung und den Parteien, für die Dörfer Löhnen, Mehrum und Götterswickerhamm eine dreiklassige Zentralschule in der Nähe der Deichkuhle zu errichten. Der Hauptausschuß der Gemeinde Voerde diskutiert am 18. September 1961 die Errichtung einer Mittelpunktschule. Doch vehement und engagiert wenden sich nicht nur die Mehrumer Eltern gegen dieses Vorhaben, das dann auch schließlich von den zuständigen Dienststellen abgesetzt wird.
In der Zeit von Oktober 1961 bis Januar 1962 besprechen die Dorfbewohner die Errichtung und Ausgestaltung einer neuen Gedächtnisstätte für die Gefallenen beider Weltkriege. Es wird ein Ehrenmal-Ausschuß gebildet, dem 12 Mehrumer Bürger angehören, u.a. auch Lehrer Horst Dickmann. In einer Versammlung der Dorfgemeinschaft im Februar 1962 wird beschlossen, die neue Ehrenstätte an der alten Stelle im Schloßpark zu errichten.
Da nahezu die Hälfte der Schulkinder an Grippe erkrankt ist, wird die Schule vom 13. bis 22. März geschlossen.
Am 26. März 1962 beschließt der Hauptausschuß der Gemeinde Voerde den Neubau eines Lehrerwohnhauses in Mehrum. Der Beschluß wird vom Gemeinderat am darauffolgenden 10. April bestätigt.
Das Schuljahr 1962/63 beginnt mit 39 Kindern. Die Kinder des vierten Schuljahres fahren einmal wöchentlich nach Voerde zum Lehrschwimmbecken.
Am 6. April überprüft das Staatshochbauamt Wesel das Lehrerwohnhaus. Nach einem zusätzlichen Blick auf den Schulsöller lautet das Urteil: Alles abreißen!
Anläßlich einer Bürgerversammlung bei Mölleken teilt Ratsmitglied Rudi Patt mit, daß der Plan einer neuen Schule an der Deichkuhle „nicht mehr zur Diskussion steht". In den ersten Januartagen 1963 schneit es ununterbrochen. Die Schneehöhe beträgt zwischenzeitlich 60 cm. Schneeverwehungen hindern Menschen und Autos am Fortkommen. Die Männer aus dem Dorf können ihre Arbeitsstellen nicht mehr erreichen. Auch für Horst Dickmann ist es schwierig, seinen Dienst in Mehrum zu versehen, denn er wohnt nach wie vor in Stockum. Doch mit seinem Motorroller, den er den „feuerighen Elias" nennt, schafft er die blankgewehten und spiegelglatten Wege nach Mehrum und zurück. Die Kanäle sind zugefroren, Heizöl und Kohlen sind knapp. Am 23. Januar werden Lehrschwimmbecken und Turnhalle in Voerde geschlossen. Am 24. Januar steht der Rhein bei Emmerich, in Mehrum ist er mit Treibeis bedeckt. Nordische Vögel, die hier nie zu beobachten gewesen sind, sitzen an den Rheinufern und suchen vergeblich nach Nahrung. In der Schule wird Getreide für die Wildfütterung gesammelt. Der 7. März 1963 ist der erste frostfreie Tag seit dem 21. Dezember 1962.
Ein Geschenk besonderer Art erhält die Schule Mehrum am 14. Dezember 1962. Endlich wird ein Tonfilmprojektor im Werte von 2.700,00 DM zur Verfügung gestellt, der dafür sorgt, daß die Schulkinder nicht mehr auswärtige Filmtheater oder Filmvorführungen besuchen müssen.
33 Kinder besuchen im Schuljahr 1963/64 die Mehrumer Schule. In Mehrum macht sich wieder Unruhe breit, weil das Thema „Mittelpunktschule" erneut aufgegriffen wird. Bürgermeister Heinrich Schmitz sorgt aber für Beruhigung. Nach seiner Ansicht sei die Frage, ob die Mehrumer Schule erhalten bleiben soll, bereits entschieden. „Die Regierung tendiert zu der Auffassung, daß man die Schule nicht aus dem Dorf herausnehmen soll." In einer Besprechung der Regierungskommission mit anschließender Ortsbesichtigung wird vorgeschlagen, eine neue Schule zu bauen .
Den Handarbeitsunterricht erteilt nun Frau Julia Wohland, die an der Schule in Spellen als Hauswirtschaftslehrerin tätig ist.
Im Herbst 1963 beginnt Horst Dickmann mit der Instandsetzung der alten Lehrerwohnung, um sie einigermaßen bewohnbar zu machen. Fleißige Helfer findet er in Johann Rissel, dessen Sohn Gerhard und Wilhelm Ingenwerth. Selbst Weihnachten und Sylvester/Neujahr wird gearbeitet, um am 6. Januar 1964 endlich einziehen zu können.
Die Nachbarn haben zum Einzug den Hauseingang festlich geschmückt und helfen auch beim Abladen und Aufstellen der Möbel. Am Abend bringt die Nachbarschaft ihrem Lehrer Horst Dickmann und seiner Frau Inge, geb. Grebestein, sowie den übrigen Angehörigen ein Ständchen vor der Haustüre. Es entspricht alter Mehrumer Tradition, daß alle Anwesenden zu einem Umtrunk ins Lehrerhaus eingeladen werden.
Das Schuljahr 1964/65 zählt 34 Schulkinder. Am 20. April 1964 beschließt der Gemeinderat Voerde, in Mehrum eine neue Schule mit Lehrerwohnhaus zu bauen. Die Kosten für beide Vorhaben veranschlagt der Architekt Hermann Cyrener mit 335.000,00 DM. Zuvor besichtigten er und Horst Dickmann einige moderne einklassige Volksschulen am linken Niederrhein und im Weseler Wald. Die öffentliche Ausschreibung erfolgt am 6. August 1964, Angebotseröffnung ist am 31. August 1964. Im Oktober wird die Baustelle eingerichtet, im Dezember ist der Rohbau des Wohnhauses fast vollendet, die Kellerdecke des Schulhauses wird gegossen. Das milde Winterwetter begünstigt die Bauarbeiten. In der ersten Februarwoche wird der Dachstuhl der Schule gerichtet. Am Donnerstag, 11. Februar 1965, ist das Richtfest. „Mit den Kindern habe ich mich auf diesen Tag vorbereitet. Sie werden mit Gedichten, Liedern und einem Ständchen der Flötengruppe ihren Teil zum Richtfest beitragen." Den Richtkranz schmücken wir mit alten Schiefertafeln, Griffeldosen und Schwämmen. Auch ein alter Schulranzen erfüllt dabei seine letzte Aufgabe. Viele Gäste aus Rat und Verwaltung, allen voran Bürgermeister Heinrich Schmitz, die Handwerker und Unternehmer, sowie auch die Elternschaft und die Schulkinder erleben dieses für das Dorf Mehrum so bedeutsame Fest.
Im Schuljahr 1965/66 gehen nur noch 28 Kinder zur Mehrumer Schule. Der Abgang der Schüler zu den weiterführenden Schulen macht sich bemerkbar: Nur noch 11 Kinder in den Schuljahren 6 bis 8. Seit dem 1. April 1965 ist der Englischunterricht auch in der Mehrumer Schule für alle Kinder Pflicht.
Im September 1965 wird die Lehrerschaft über die Neuordnung der Volksschuloberstufe informiert. Wenn dieses Vorhaben verwirklich wird, dann hat die letzte Stunde der wenig-gegliederten Schule, schon häufiger als Zwergschule benannt, geschlagen.
Das Lehrerwohnhaus wird bald fertig, im November soll es bezogen werden. Es wird bekannt, daß Fräulein Göppert, 1947 an der Schule in Mehrum tätig, als verheiratete Frau Stein wohl in Essen wohnt. Sie bestätigt, daß sie die alte Schulchronik, deren Verbleib niemand erklären kann, selbst in Händen gehabt und darin auch Eintragungen gemacht hat. Die Schulweihnachtsfeier 1965 findet noch in der alten Schule - wie jedes Jahr - statt. Die Kinder führen wieder zwei Theaterstücke auf.
Am 20. November 1965 wird das neue Lehrerwohnhaus bezogen. Die Nachbarn erhalten vom Lehrer die „Nachbarzeche". Aus dem ganzen Dorf treffen Glückwünsche ein. Spielmannszug und Gesangverein bringen der ganzen Familie ein Ständchen, die Nachbarkollegen gratulieren zur neuen Wohnung, alte Nachbarn aus Stockum tun desgleichen. Das Haus gleicht einem Taubenschlag. Fazit des Einzug: 200 Liter Bier und etliche Flaschen Wacholder, fast wie bei einem kleinen Dorffest.
Für den 11. Februar 1966 ist der Umzug aus dem alten Schulhaus in das neue Schulhaus vorgesehen. Begeistert schreibt Horst Dickmann nieder: „Ich bin begeistert! Welcher Lehrer hat schon das einmalige Glück, in einem Schulhaus zu unterrichten, dessen Planung und Bau er von Beginn an beeinflussen konnte!? Ich stehe am Ziel meiner Wünsche!"
Mit den Kindern wird die Einweihungsfeier vorbereitet, die am 25. März 1966 stattfinden soll. Unter Mitarbeit der Elternvertreter Gerhard Rissel, Mathias Rissel, Wilhelm Payenberg, Hermann Ettwig und Gertrud Präg sowie der Vereine wird das nachstehende Programm entwickelt und festgelegt.

Einweihung

der Evangelischen Volksschule Mehrum am Freitag, dem 25. März 1966, 15,30 Uhr.
1. Gedicht „Einzug ins neue Haus"
2. Lied „Mein Handwerk"
3. Ansprache des Bürgermeisters Heinrich Schmitz mit Schlüsselübergabe an den Schulleiter
4. Ansprache des Gemeindedirektors Adolf Urban
5. Ansprache der Gäste
6. Lied „Und wenn das Glöcklein"
7. Lied „Handwerkerlied"
8. Gedicht „Schulhaus-Einweihung"
9. Spiel „Unser neues Haus"
10. Lied des Männergesangversins „Germania" Mehrum
11. Ständchen des Spielmannszuges Mehrum
12. Rundgang durch das Gebäude
13. Gemütliches Beisammensein.

Da die Gästeliste viele Namen trägt, können nicht alle Bürger des Dorfes eingeladen werden, weil es einfach an Platz fehlt. Wohl die Eltern der Schulkinder nehmen an der Feier teil. Aber zu dem gemütlichen Beisammensein im Saale Mölleken (Ziegler) werden alle Mehrumer Bürger durch einen besonderen Handzettel eingeladen.

Lehrer Horst Dickmann, an der Schule zu Mehrum von 1959 bis 1968. Im Bild: Am 25. März 1966 übergibt Bürgermeister Heinrich Schmitz (re.) dem Schulleiter Horst Dickmann die Schlüssel zur neuen Schule in Mehrum.

Freundlicher Hinweis!

Anläßlich der Einweihung des Neubaues unserer Dorfschule findet am 25. März 1966 im Lokale Mölleken ab 18,30 Uhr ein gemütliches Beisammensein der Dorfgemeinschaft statt. Eintritt frei! Alle Dorfbewohner lade ich dazu herzlich ein. Um allen Mehrumern Gelegenheit zu geben, einen Blick in die neue Schule zu werfen, ist das Gebäude am Sonntag, 27. 3. 1966, von 10 -12 Uhr und von 14 - 17 Uhr geöffnet.

Mit freundlichem Gruß
Ihr Horst Dickmann.

Aus der Elternkasse und von der Gemeindeverwaltung werden Getränke, Schnittchen und Musik bezahlt.
In seiner Ansprache zur Einweihung der Schule betont Bürgermeister Heinrich Schmitz, daß in der Chronik des Dorfes Mehrum ein neues Blatt geschrieben werde mit dem Tage der Einweihung der Evangelischen Dorfschule. Er sprach die Hoffnung aus, daß die neue Schule dazu beitragen werde, erfolgreiche pädagogische Arbeit zu leisten. Er sprach auch von den Verdiensten des verstorbenen Bürgermeisters und Landrats Hermann Breymann, der als Berufskollege in Voerde wesentlich die Planung der Schule beeinflußtund vorangetrieben habe. Dafür gebühre ihm heute und hier an dieser Stelle der besondere Dank. - Sodann überreichte er mit den besten Wünschen für die Zukunft den Schulschlüssel an Hauptlehrer Horst Dickmann.
Gemeindedirektor Adolf Urban führte aus, daß die schulische Entwicklung in diesem Land über die einklassigen Volksschulen hinwegbrause. Heute hätte man unter den veränderten Richtlinien diese Schule nicht mehr gebaut, obwohl gerade aus den einklassigen Volksschulen hervorragende Persönlichkeiten hervorgegangen seien. -
Fürwahr, es war ein großer und bedeutungsvoller Tag für das Dorf Mehrum und seine darin wohnenden Menschen!
Am 10. Februar 1966 gibt das Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen die Einzelheiten über die geplante Verlegung des Schuljahrbeginns auf den Herbst bekannt. Das Schuljahr 1966 beginnt am 1. April 1966 und endet am 30. November 1966. Das Schuljahr 1966/67 beginnt am 1. Dezember 1966 und endet am 31. Juli 1967.
Die alte Schule wird in diesem Jahr abgerissen. Der Schützenverein Mehrum baut im März 1966 das brauchbare Material aus. Abends am 13. März steht nur noch eine Ruine. Erst jetzt erkennt man das Ausmaß des Verfalls. Mit dem gewonnenen Material soll eine Schützenhalle am Schießstand errichtet werden. Hierzu ist die von Dietrich Evers am 20. März 1966 abgegebene Verpflichtung interessant: „Für die Einweihung der zu errichtenden Schützenhalle in Mehrum zahle ich, Dietrich Evers, Weberstraße 48, 6 bis 8 Mann Musik!"
Zu vermerken ist noch, daß seit 1964 ein Schülerbus auch Mehrum anfährt, um die Schulkinder zu den weiterführenden Schulen nach Voerde (Realschule) und Dinslaken (Gymnasium) zu bringen.
Das Schuljahr 1966, auch 1. Kurzschuljahr genannt, hat nur 23 Unterrichtswochen. Erstmalig in der Geschichte dieser Schule wird kein Kind eingeschult.
Ostern 1966 ist der „Schulversuch Voerde" angelaufen. Er dient der Erprobung neuer Organisationsformen in der Oberstufe. Eltern mit drei Kindern und mehr erhalten vom Land Nordrhein-Westfalen Gutscheine zum kostenlosen Bezug der Schulbücher.
Der 4. Mai ist wiederum ein Schulwandertag, so wie er in jedem Jahr bislang stattfand. Die Wanderung geht über Spellen - Lippedorf nach Wesel. Dort wird das Schillmuseum besucht.
Im Hallenbad am Heuberg erfrischen sich alle ein wenig von der Wanderung. Das kleine Personenschiff „De liewe Jong" der Firma Edmund Seif aus Voerde bringt die Wanderschar von Wesel über den Rhein wieder nach Hause.
Seit Ostern hat Fräulein Martha Gangelhoff den Unterricht in Nadelarbeit übernommen. Frau Wohland unterrichtet wieder voll in Spellen.
Am 7. Juni dieses Jahres findet eine Schulleiter-Konferenz in Voerde statt. Es werden Überlegungen und Vorschläge besprochen zur Zusammenlegung von reinen neunten Schuljahren und zur Errichtung von Hauptschulen.
Das letzte Stündlein der kleinen Schulen ist gekommen!
Stufenweise sollen die Jahrgänge 5 bis 8 in reinen Jahrgangsklassen zusammengefaßt werden. Eine Sensation am Rhein! Am 16. Mai 1966 sichten Schiffer einen Riesenfisch im Rhein. Alle Welt ist auf den Beinen, um das Ungeheuer zu sehen. Es handelt sich um einen weißen Belugawal, der sich wohl verirrt hat. Der Volksmund hat auch schon gleich einen passen¬den Namen, er wird „Moby Dick" genannt. An einem Maiabend wird er auch in Mehrum gesichtet. Autokolonnen jagen durch die schmalen Wege zum Rhein. Reporter und Fotografen stürzen sich auf diese Sensation. Man versucht, den Wal zu fangen, aber ohne Erfolg. Am 13. Juni wird er sogar in Bonn gesichtet. Doch am 16. Juni sieht man ihn zum letzten Mal bei Hoek van Holland auf dem Wege in die Nordsee, in die Freiheit.
Die Elternversammlung am 26. Juli ist nur schwach besucht, die Spiele der Fußballweltmeisterschaft interessieren eben doch mehr!
Die nächste Sitzung des Elternvorstandes ist am 23. September 1966. Dazu sind die Vorsit¬zenden des Gesangvereins, des Schützenvereins und des Tambourcorps eingeladen. Behandelt wird nur ein Tagesordnungspunkt: Namensgebung für die neue Schule. Nach mancherlei Vorschlägen und reger Diskussion einigen sich alle Anwesenden auf den Namen „GILDE-SCHULE MEHRUM". Denn die Gilde war es, die einstmals die Schule einrichtete, unter¬hielt und die Lehrer bezahlte. In der Form der „Sterbegilde Mehrum" existiert sie heute noch. Das Schuljahr endet am 30. November 1966. Für die Kinder des 8. Schuljahres ist jetzt der Besuch des 9. Schuljahres Pflicht.
1. Dezember 1966. Es beginnt das 2. Kurzschuljahr 1966/67. Dieses Schuljahr hat auch nur 27 Unterrichtswochen. 24 Kinder besuchen die „Gilde-Schule zu Mehrum".
Am 9. Dezember 1966 verstirbt plötzlich und unerwartet Bürgermeister Heinrich Schmitz, der vor etwas mehr als einem halben Jahr unsere neue Schule offiziell übergeben hatte. Unter großer Anteilnahme auch der Mehrumer Bevölkerung wird er von seinen Ratskollegen zu Grabe getragen.
Dezember 1966. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen beabsichtigt, Bestimmungen über die weniggegliederte und ungeteilte Schule zu erlassen. Das bedeutet, daß die seit nahezu 20 Jahren in Nordrhein-Westfalen umstrittenen Zwergschulen nun durch Gesetz beseitigt werden. Ein weiteres Ziel ist, auch die Hauptschule mit allen Klassen 5 bis 9 als selbständige Schulform weiterführender Bildung zu begründen.
Das Schuljahr 1967/68, das letzte Schuljahr in der „Gilde-Schule zu Mehrum", beginnt mit 21 Kindern.
Im Juni wird mit dem Bau der Schützenhalle begonnen. Am 27. Januar 1968 soll sie eingeweiht werden. Mit den ehemaligen Schülern der Mehrumer Schule wird ein bunter Abend vorbereitet. In diesem Monat wird Horst Dickmann auch ganz offiziell befragt, ob er lieber an einer Grundschule oder an einer Hauptschule unterrichten möchte.
Zum letzten Male findet in der Schule eine Schul-Weihnachtsfeier statt. Das Programm ist sehr umfangreich, es umfaßt insgesamt 33 Positionen. Die Kinder spielen „Auf dem Scherbelberg" und „Rumpelstilzchen".
Am 1. März 1968 treten die Gesetze zur Schulreform in Nordrhein-Westfalen in Kraft. Die „Zwergschule ist damit in NRW gefallen, die Hauptschule gegründet und die Gemeinschaftsschule durchgesetzt".
Die Verwaltung bereitet die Reform für den Gemeindebereich Voerde vor. Die Mehrumer Kinder sollen nach Spellen, aber die Errichtung einer Hauptschule in Speilen ist noch nicht genehmigt. Und so kommt es, daß die Mehrumer Eltern in einer Versammlung am 7. März 1968 beschließen, ihre Kinder nach Voerde zu schicken.
Horst Dickmann bewirbt sich auf Anfrage, in welchen Fächern er unterrichten möchte, an die Hauptschule in Speilen, die als Teil der Hauptschule Friedrichsfeld zum Tragen kommt. Zwischenzeitlich finden Besprechungen der Elternvertreter mit den Vereinsvorständen statt, um die weitere Verwendung des Schulgebäudes festzulegen. U. a. wird vorgeschla-gen, darin einen Kindergarten einzurichten.
Am 16. Juni 1968 wird zum letzten Mal gewandert, es geht zur Badeanstalt nach Wesel.

HORST DICKMANN schreibt am 27. Juni 1968:
„Mit diesem Tag ist für mich der letzte Schultag an der Gilde-Schule zu Mehrum angebrochen. Kinder und Lehrer wissen nicht, wie es nach den Sommerferien weitergeht. Weder der Schulrat noch ein Vertreter der Gemeindeverwaltung ist erschienen, um die Schließung der Schule offiziell den Kindern und mir mitzuteilen. Es hat ja alles in der Zeitung gestanden, und das genügt!?
Fräulein Martha Gangelhoff kommt noch, um sich zu verabschieden. Um 10.00 Uhr klopft es. Vor der Türe stehen Gerhard Rissel und Hermann Ettwig mit einem Frühstückskorb. Vor der Klasse richtet Gerhard Rissel in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Schulpflegschaft Worte des Dankes an mich und überreicht im Auftrage der Elternschaft des Dorfes dieses Geschenk. -
Ich entlasse die Kinder. -
Die „Gilde-Schule zu Mehrum", um das Jahr 1600 schon vorhanden gewesen, unterhalten aus den Geldern des Gildefonds, einer freien Vereinigung von Mehrumer Bürgern, hat aufgehört zu existieren!"



Mit dem Stahlroß in die Eifel

von Lehrer Hermann Breymann.
Das Radwandern hat seine besonderen Reize. In diesem Sommer trieb es uns wieder in die Eifel, der wir auch im vergangenen Jahr einen Besuch abgestattet hatten. Während wir damals auf einer Fußwanderung von Ahrweiler über Daun, Manderscheid, Wittlich, Traben-Trarbach, Kochem die Schönheit der Eifel- und Mosellandschaft genossen, vertrauten wir uns diesmal dem Stahlroß an, um auch praktisch mal Fuß- und Radwandern auf einer größeren Fahrt vergleichen zu können. Daß alles gründlich vorbereitet sein mußte, wie Anmeldungen in den Jugendherbergen, Ausarbeiten der Tagesstrecken usw., versteht sich von selbst.
So brachte uns denn am ersten Ferientag die Rheinfähre von Mehrum an das linke Rheinufer, um von dort aus unsere Fahrt anzutreten, deren erste Etappe über Rheinberg, Kamp, Aldekerk, Kempen, Süchteln und Dülken nach Waldniel führte. Hier nahm sich am Nachmittag die Küche der Dienstabteilung 3/214 des Reichsarbeitsdienstes unserer hungrigen Mägen an.
Beim Wecken am nächsten Morgen wehte uns ein frischer Südwestwind um die Nase, der uns auf der zweiten Etappe noch viel zu schaffen machte. Aber nach einem guten Frühstück ging's mit Humor auf die Sättel, und am Abend waren wir nach einer wunderschönen Fahrt durch die fruchtbare niederrheinische Landschaft des Kölner Bezirks in Ahrweiler.
Von Weilerswist am Vorgebirge bis Ahrweiler benutzten wir einen neuen Radweg von fast 40 Kilometern Länge, der auf einem Bahndamm (der nicht benutzt wird) angelegt ist. Im Ahrtal gab es dann am andern Tag genug zu sehen und zu bestaunen.
Über Altenahr-Dümpelfeld erreichten wir gegen Mittag Adenau, wo auf dem Nürburgring eben die großen Rennwagen ihre letzten Trainingsrunden für das große Rennen am folgenden Tage fuhren. Denn der Besuch des Rennens um den großen Preis von Deutschland war als besonderer Leckerbissen in unserem Fahrtenplan vorgesehen. Doch machten uns die nächsten 30 Kilometer bis zu unserer Herberge noch viel zu schaffen; denn es ging immer, so peu ä peu, so langsam in die Höh' ! Denn das Rad so 6 bis 7 Kilometer an einem Stück den Berg hinaufdrücken, ist kein Vergnügen, auch wenn es nachher noch so schön bergab geht. Hier wurde uns auch klar, warum Till Eulenspiegel immer brummte, wenn es bergab ging. Uns ging es ähnlich; denn der nächste Berg stand dann schon wieder vor uns. Gegen Abend erreichten wir das kleine Dörfchen Derscheid bei Daun, wo bald nach etli¬chen Tellern Nudeln mit Pflaumen alle Strapazen vergessen waren.
Und nun der Sonntag! Angesichts der Tatsache, daß die drei ersten Tage doch nicht spurlos an unseren Muskeln vorübergegangen waren, wagte ich den Vorschlag, sich das Rennen auf dem Ring am Radio anzuhören. Ein explosives Hohngelächter meiner Jungs war die Antwort. 25 Kilometer vom Ring, und dann am Radio sitzen! Und wenn es Backsteine regnet. Die Begeisterung überwand alle Schwierigkeiten, und als wir gegen 11 Uhr in der Nähe von Start und Ziel am Ring standen, wo eben Rudi Caracciola seine ersten Runden drehte, leuchteten die Augen der Jungs, bei so einer großen Sache dabei sein zu dürfen. Und als er die letzte Runde seiner Siegesfahrt fuhr, die Kontrolle an den teuren Plätzen sich lockerte, waren mir die Burschen entwischt. Als wenn sich das so gehörte, standen sie bei Bernd Rosemeyer, Hans Stuck und Karratsch, als diese aus ihren Kisten kletterten, besahen sich fachmännisch die Motoren der großen Wagen und strahlten übers ganze Gesicht. Das war ein Erlebnis!
Daß wir nun endlich am Montag einen Ruhetag einlegten, dagegen hatte niemand etwas einzuwenden. Die Räder wurden auf Herz und Nieren untersucht, die Rucksackvorräte ergänzt und den Lieben daheim das Erlebnis vom Sonntag in beredten Worten geschildert. 60 Kilometer waren das Pensum des dann folgenden Tages. Zunächst ging es nach Daun, wo sowohl das Totenmaar als auch das freundlichere Schalkenmehrener Maar uns im vergangenen Jahre bereits tief beeindruckt hatten. Weiter ging's über Berg und Tal nach Nordwesten, über Drei s, Ober-Ehe, Hillesheim. Am Wege lud eine berühmte Mineralquelle, die Nürburgquelle, zu kurzer Rast. Das Wasser schmeckte vorzüglich. Hinter Hillesheim erreichten wir das Kylltal, in dem wir bis Junkerath und Stadtkyll blieben. Und nun hinauf auf die bewaldeten Höhen des Zitterwaldes. Von einem einsamen Forsthaus ab ging's nach Norden hinunter nach Reifferscheid. Wir befanden uns mitten in dem bekannten Wintersportgebiet der Eifel südlich vom Urftsee.
Der Mittwoch gehörte der berühmten Urfttalsperre und ihrer reizvollen Umgebung. Von Schleiden aus führt eine neue schöne Straße nach Willseifen und von dort aus führt ein ziemlich steiniger Pfad hinunter zur Sperrmauer. Die Ordensburg Vogelsang taucht vor unseren Blicken auf, deren gigantischer Bau einen starken Eindruck hinterläßt. Dieses ganze Gebiet um den Urftsee gehört zu den schönsten Wander- und Erholungsgebieten Westdeutschlands. Nicht nur die Urft, auch die Rur wird an mehreren Stellen aufgestaut, wodurch noch einige herrliche Seen entstehen. Vom Rurtal aus ging's wieder auf die Höhe. Wir wollen gegen Abend in Aachen sein, da heißt es tüchtig treten.
Ein steifer Nordwestwind war aufgekommen und begleitete uns auf der Himmelsleiter nach Aachen. Warum Himmelsleiter? Diese Straße hat den beträchtlichen Höhenunterschied zwischen dem hohen Venn und Aachen zu überwinden. In regelmäßigem Wechsel geht's bergauf und bergab, aber gradlinig auf Aachen zu, wobei in dieser Richtung die Freilaufstrecken die anderen natürlich an Länge weit übertreffen. Über Kornelimünster erreichten wir gegen 7 Uhr abends Aachen, die Stadt der warmen Quellen. Ein an Erlebnissen reicher Tag lag hinter uns. Bald lagen wir alle in süßem Schlummer.
Was soll ich von Aachen erzählen? Daß wir im alten Münster die Kunst vergangener Jahrhunderte bewunderten, daß wir im Kaisersaal des Rathauses den Hauch der Geschichte an dieser Stelle spürten? Bei unserem Rundgang durch die schöne Stadt besuchten wir noch den Elisenbrunnen und das neue Kurhaus.
Bei Herzogenrath kamen wir am Nachmittag desselben Tages an die holländische Grenze, wo wir uns den Dienst der Zollbeamten ansahen. Wir waren wieder in der Ebene. Über Geilenkirchen-Heinsberg langten wir bald in Wassenberg an, einer freundlichen Sommerfrische an der Rur, unserem letzten Quartier vor der Heimkehr.
Denn jetzt drängte es doch mit Macht nach Hause. Brieflich war schon für das Abendessen des folgendes Tages vorgesorgt, das bei Muttern eingenommen werden sollte. Diese Genüsse vor Augen, klappte auch am letzten Tag alles ausgezeichnet. Beim Arbeitsdienst in Waldniel wurde noch so nebenbei ein ganz lukullisches Frühstück mitgenommen, das uns der Verwalter freundlich auftischte. Doch nun nach Hause!
Als wir dann am Nachmittag gegen 4 Uhr am Rhein in Mehrum dem Fährmann unser „Hol über" winkten, standen Mütter und Geschwister bereit, um die müden, verstaubten, hungrigen Wanderer in Empfang zu nehmen, die des Erzählens kein Ende fanden.
 
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