Die Auseinandersetzung
der Kinder aus 1. Ehe mit ihrer Stiefmutter.
Bertram v. Lützenradt war im Frühjahr 1618 gestorben. Die Witwe Margaretha Katz v. Scharpfenstein verhielt sich gegen die damals noch unmündigen Töchter aus der ersten Ehe, nämlich Amelia Elisabeth, Johanna Helena und Anna Magdalena, sehr unfreundlich. Als diese sich darum kümmern wollten, was an kostbarem Schmuck und wertvollem Tafelgeschirr vorhanden war, „hat sie alle Schlüssel an sich genommen, den Kindern alles verborgen, dieselben mit ungestümen und bösen Worten, daß sie damit nichts zu schaffen hätten, davon abgehalten und nicht daran lassen wollen ...".
Um die Stiefmutter zu bewegen, Haus Mehrum zu verlassen, bieten sie ihr die im Ehevertrag vom 1. Juni 1616 festgesetzte Summe von 2.000 Reichstalern und dazu noch weitere 450 Reichstaler. Festgelegt wurden die Verhandlungen darüber in einem zu Xanten am 2. Mai 1618 abgeschlossenen Vertrag. Darin hatten die Erben versprochen, die Gelder bis Martini 1618 auszuzahlen.
Es zeigte sich aber, daß es ihnen unmöglich war, in der kurzen Zeit das Kapital zu beschaffen. Sie baten um Nachsicht und versprachen, bei adeligen Ehren und Vertrauen, das Geld unfehlbar zu Martini 1619 mit den Zinsen in Xanten zu bezahlen. Auch dieses wurde vertraglich geregelt, und zwar am 16. Januar 1619 unter Hinzuziehung einiger Siegelzeugen: Johann v. d. Hoevelich, Heinrich Hoen v. Cartyls, Gebhard v. Eyl auf Haus Heydeck, Reinhard v. Lützenradt.
Doch auch dieses Versprechen konnte nicht eingehalten werden. Erst am 7.Januar 1620 bekam die Frau Stiefmutter die ersten 1.000 Reichstaler, die ihr von Wilhelm v. Ketzgen, Herr zu Gerreshoven, seit dem 15.Januar 1619 mit der ältesten Erbtochter Amelia Elisabeth verheiratet, ausgezahlt wurden. Er billigte ihr auch die Hälfte des Tafelgeschirrs zu und zum Gedächtnis an Bertram v. Lützenradt dessen Kutsche.
Die Witwe v. Lützenradt geht eine neue Ehe ein mit Reinhard v. d. Hasselholz genannt Stockheim auf Haus Dollenhoven. Das war nun ihr dritter Ehemann. - Ihren ersten Ehevertrag schloß sie am 26. Januar 1596 mit Dietrich v. Metternich.
1621 macht Reinhard v. d. Hasselholz die Ansprüche seiner Frau bei den Erbgenahmen v. Lützenradt geltend. Von den 2.000 Reichstalern Abfindungsgeld stehen noch 1.000 Reichstaler und von den zugelegten 450 Reichstalern noch 200 Reichstaler aus. Weil seine Mahnungen erfolglos bleiben, wendet er sich an das Hofgericht zu Düsseldorf und bittet am 2. Juli 1621, an den Richter zu Götterswick den Befehl ergehen zu lassen, ihn zu Behuf seiner Frau in den Besitz der Mehrum'schen Güter zu setzen, und zwar so lange, bis seine Frau abgefunden ist. Er beruft sich dabei auf den 1616 mit Bertram v. Lützenradt abgschlossenen Ehevertrag.
Die Eingabe des Reinhard v.d. Hasselholz wird durch den Richter zu Götterswick dem Rentmeister auf Haus Mehrum, Thomas Kedde, zugestellt, der sie nach Gerreshoven weiterleitet. Wilhelm v. Ketzgen, der Vertreter der Erben v. Lützenradt, ist aber nicht zu Hause, sondern weilt im Auftrage seines Gebieters, des Kurfürsten von Köln, in Arnsberg. Erst am 6. August kommt der Brief in seine Hände. Er teilt dem Hofgericht mit, daß er sobald keine Antwort geben kann, zumal die Unterlagen „wegen der Kriegsgefährlichkeit in Sicherheit gebracht sind", auch die Schwägerinnen abwesend sind.
Nachdem das Hofgericht unter dem 3. September 1621 gedroht hatte, „wenn die Gegenseite nicht innerhalb von 14 Tagen einen Gegenbericht einreicht, so soll der Richter den Kläger in den Besitz von Haus Mehrum setzen", schreibt Wilhelm v. Ketzgen am 22.September desselben Jahres von Haus Mehrum aus: „Der Kläger möge mit seinen ungerechten Forderungen einhalten, er möge sich hüten, den schlafenden Hund zu wecken und durch seine Unfreundlichkeit zu verursachen, daß die v. Lützenradt'schen Erben nunmehr keine Scheu tragen werden, alles, was die Frau empfangen, zu inventarisieren und das, was sie zuviel erhalten, zurückzufordern,"
In einem späteren Schreiben behauptet er: „Zählt man alles zusammen, was die Frau an ausgezahltem Kapital, an goldenen Ketten, an Tafelgeschirr, an vorgefundenem Bargeld und sonstigem bezogen hat, so macht das 2.650 Reichstaler aus, also mehr, als ihr zusteht." Das Hofgericht läßt diese Einwände nicht gelten. Der Richter erhält Befehl, am 29. Januar 1622 dem Reinhard v. d. Hasselholz Haus Mehrum zu Behuf seiner Frau zu übergeben. Kläger und Beklagte sollen sich zu diesem Termin auf Haus Mehrum einfinden. Diese zie-hen aber vor, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen. Wilhelm v. Ketzgen kann nicht kommen, da „ausländisch". Seine Frau Amelia Elisabeth und ihre beiden Schwestern, die ihr Domizil nun auch auf Haus Gerreshoven haben, bestellen ihren Notar nach Gerreshoven, durch den sie am Mittwoch, dem 26. Januar 1622, des Nachmittags ungefähr 2 Uhr, den Rentmeister Thomas Kedde zu Mehrum, Bernhard v. Sieberg daselbst und Konrad Potter bevollmächtigen, sie am 29. Januar desselben Jahres zu vertreten.
Am 29.Januar 1622 sind des Morgens um 10 Uhr vor Haus Mehrum erschienen: Richter Martin v. Wilich, die Schöffen Jordan Voßhael und Arnd oppen Kamp, ersterer in Voerde, letzterer in Möllen wohnhaft. Weiterhin der Gerichtsschreiber Mühlheimius, Joachim Besten aus Xanten als Bevollmächtigter des v.d. Hasselholz, Thomas Kedde als Vertreter der Erben v. Lützenradt, der den mitgebrachten Johann Moll zu seinem Sprecher bevollmächtigt.
Dieser protestierte gegen die vorgesehene Einführung des v. d. Hasselholz in den Besitz von Haus Mehrum und behielt sich weitere Schritte vor, falls die Einführung doch vorgenommen würde. Der Vertreter des v. d. Hasselholz entgegnete, daß er sich auf weitere Diskussionen nicht einlassen wolle. Dem Gegner stände ja frei, sein Recht beim Hofgericht nachzusuchen. Der Richter möge die ihm anbefohlene Exekution vornehmen. Eine Bitte des Moll, nochmals zu verhandeln, wurde abgewiesen. Nachdem der Richter erklärt hatte, daß er seines Teils die zu mehreren Malen angeordnete Immission nicht zu verhindern wüßte, waltete er seines Amtes, indem er dem Vertreter des v. d. Hasselholz den Hammer an der Pforte in die Hand gab, auch einen Zweig vom Baum brach und eine Klutte Erde vor dem Haus aufnahm und ihm durch diese symbolische Handlung den Besitz von Haus Mehrum übergab und im Namen des Gerichtes denen, die sich widersetzen würden, eine Strafe von 500 Goldgulden androhte.
Der Protest blieb nicht aus. Die Erben v. Lützenradt erhoben Einspruch und Klage beim Reichskammergericht in Speyer.
(Weiteren Nachforschungen bleibt es vorbehalten, nach entsprechenden Akten zu suchen und den Ausgang des Prozesses festzustellen).
Quellen:
HSTAD, R.K.G. / L. 1015.