Mit dem Stahlroß in die Eifel - Rheindorf Mehrum

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Mit dem Stahlroß in die Eifel
von Lehrer Hermann Breymann.

Das Radwandern hat seine besonderen Reize. In diesem Sommer trieb es uns wieder in die Eifel, der wir auch im vergangenen Jahr einen Besuch abgestattet hatten. Während wir damals auf einer Fußwanderung von Ahrweiler über Daun, Manderscheid, Wittlich, Traben-Trarbach, Kochem die Schönheit der Eifel- und Mosellandschaft genossen, vertrauten wir uns diesmal dem Stahlroß an, um auch praktisch mal Fuß- und Radwandern auf einer größeren Fahrt vergleichen zu können. Daß alles gründlich vorbereitet sein mußte, wie Anmeldungen in den Jugendherbergen, Ausarbeiten der Tagesstrecken usw., versteht sich von selbst.
So brachte uns denn am ersten Ferientag die Rheinfähre von Mehrum an das linke Rheinufer, um von dort aus unsere Fahrt anzutreten, deren erste Etappe über Rheinberg, Kamp, Aldekerk, Kempen, Süchteln und Dülken nach Waldniel führte. Hier nahm sich am Nachmittag die Küche der Dienstabteilung 3/214 des Reichsarbeitsdienstes unserer hungrigen Mägen an.
Beim Wecken am nächsten Morgen wehte uns ein frischer Südwestwind um die Nase, der uns auf der zweiten Etappe noch viel zu schaffen machte. Aber nach einem guten Frühstück ging's mit Humor auf die Sättel, und am Abend waren wir nach einer wunderschönen Fahrt durch die fruchtbare niederrheinische Landschaft des Kölner Bezirks in Ahrweiler.
Von Weilerswist am Vorgebirge bis Ahrweiler benutzten wir einen neuen Radweg von fast 40 Kilometern Länge, der auf einem Bahndamm (der nicht benutzt wird) angelegt ist. Im Ahrtal gab es dann am andern Tag genug zu sehen und zu bestaunen.
Über Altenahr-Dümpelfeld erreichten wir gegen Mittag Adenau, wo auf dem Nürburgring eben die großen Rennwagen ihre letzten Trainingsrunden für das große Rennen am folgenden Tage fuhren. Denn der Besuch des Rennens um den großen Preis von Deutschland war als besonderer Leckerbissen in unserem Fahrtenplan vorgesehen. Doch machten uns die nächsten 30 Kilometer bis zu unserer Herberge noch viel zu schaffen; denn es ging immer, so peu ä peu, so langsam in die Höh' ! Denn das Rad so 6 bis 7 Kilometer an einem Stück den Berg hinaufdrücken, ist kein Vergnügen, auch wenn es nachher noch so schön bergab geht. Hier wurde uns auch klar, warum Till Eulenspiegel immer brummte, wenn es bergab ging. Uns ging es ähnlich; denn der nächste Berg stand dann schon wieder vor uns. Gegen Abend erreichten wir das kleine Dörfchen Derscheid bei Daun, wo bald nach etlichen Tellern Nudeln mit Pflaumen alle Strapazen vergessen waren.
Und nun der Sonntag! Angesichts der Tatsache, daß die drei ersten Tage doch nicht spurlos an unseren Muskeln vorübergegangen waren, wagte ich den Vorschlag, sich das Rennen auf dem Ring am Radio anzuhören. Ein explosives Hohngelächter meiner Jungs war die Antwort. 25 Kilometer vom Ring, und dann am Radio sitzen! Und wenn es Backsteine regnet. Die Begeisterung überwand alle Schwierigkeiten, und als wir gegen 11 Uhr in der Nähe von Start und Ziel am Ring standen, wo eben Rudi Caracciola seine ersten Runden drehte, leuchteten die Augen der Jungs, bei so einer großen Sache dabei sein zu dürfen. Und als er die letzte Runde seiner Siegesfahrt fuhr, die Kontrolle an den teuren Plätzen sich lockerte, waren mir die Burschen entwischt. Als wenn sich das so gehörte, standen sie bei Bernd Rosemeyer, Hans Stuck und Karratsch, als diese aus ihren Kisten kletterten, besahen sich fachmännisch die Motoren der großen Wagen und strahlten übers ganze Gesicht. Das war ein Erlebnis!
Daß wir nun endlich am Montag einen Ruhetag einlegten, dagegen hatte niemand etwas einzuwenden. Die Räder wurden auf Herz und Nieren untersucht, die Rucksackvorräte ergänzt und den Lieben daheim das Erlebnis vom Sonntag in beredten Worten geschildert. 60 Kilometer waren das Pensum des dann folgenden Tages. Zunächst ging es nach Daun, wo sowohl das Totenmaar als auch das freundlichere Schalkenmehrener Maar uns im vergangenen Jahre bereits tief beeindruckt hatten. Weiter ging's über Berg und Tal nach Nordwesten, über Dreis, Ober-Ehe, Hillesheim. Am Wege lud eine berühmte Mineralquelle, die Nürburgquelle, zu kurzer Rast. Das Wasser schmeckte vorzüglich. Hinter Hillesheim erreichten wir das Kylltal, in dem wir bis Junkerath und Stadtkyll blieben. Und nun hinauf auf die bewaldeten Höhen des Zitterwaldes. Von einem einsamen Forsthaus ab ging's nach Norden hinunter nach Reifferscheid. Wir befanden uns mitten in dem bekannten Wintersportgebiet der Eifel südlich vom Urftsee.
Der Mittwoch gehörte der berühmten Urfttalsperre und ihrer reizvollen Umgebung. Von Schleiden aus führt eine neue schöne Straße nach Willseifen und von dort aus führt ein ziemlich steiniger Pfad hinunter zur Sperrmauer. Die Ordensburg Vogelsang taucht vor unseren Blicken auf, deren gigantischer Bau einen starken Eindruck hinterläßt. Dieses ganze Gebiet um den Urftsee gehört zu den schönsten Wander- und Erholungsgebieten Westdeutschlands. Nicht nur die Urft, auch die Rur wird an mehreren Stellen aufgestaut, wodurch noch einige herrliche Seen entstehen. Vom Rurtal aus ging's wieder auf die Höhe. Wir wollen gegen Abend in Aachen sein, da heißt es tüchtig treten.
Ein steifer Nordwestwind war aufgekommen und begleitete uns auf der Himmelsleiter nach Aachen. Warum Himmelsleiter? Diese Straße hat den beträchtlichen Höhenunterschied zwischen dem hohen Venn und Aachen zu überwinden. In regelmäßigem Wechsel geht's bergauf und bergab, aber gradlinig auf Aachen zu, wobei in dieser Richtung die Freilaufstrecken die anderen natürlich an Länge weit übertreffen. Über Kornelimünster erreichten wir gegen 7 Uhr abends Aachen, die Stadt der warmen Quellen. Ein an Erlebnissen reicher Tag lag hinter uns. Bald lagen wir alle in süßem Schlummer.
Was soll ich von Aachen erzählen? Daß wir im alten Münster die Kunst vergangener Jahrhunderte bewunderten, daß wir im Kaisersaal des Rathauses den Hauch der Geschichte an dieser Stelle spürten? Bei unserem Rundgang durch die schöne Stadt besuchten wir noch den Elisenbrunnen und das neue Kurhaus.
Bei Herzogenrath kamen wir am Nachmittag desselben Tages an die holländische Grenze, wo wir uns den Dienst der Zollbeamten ansahen. Wir waren wieder in der Ebene. Über Geilenkirchen-Heinsberg langten wir bald in Wassenberg an, einer freundlichen Sommerfrische an der Rur, unserem letzten Quartier vor der Heimkehr.
Denn jetzt drängte es doch mit Macht nach Hause. Brieflich war schon für das Abendessen des folgendes Tages vorgesorgt, das bei Muttern eingenommen werden sollte. Diese Genüsse vor Augen, klappte auch am letzten Tag alles ausgezeichnet. Beim Arbeitsdienst in Waldniel wurde noch so nebenbei ein ganz lukullisches Frühstück mitgenommen, das uns der Verwalter freundlich auftischte. Doch nun nach Hause!
Als wir dann am Nachmittag gegen 4 Uhr am Rhein in Mehrum dem Fährmann unser „Hol über" winkten, standen Mütter und Geschwister bereit, um die müden, verstaubten, hungrigen Wanderer in Empfang zu nehmen, die des Erzählens kein Ende fanden.
 
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