Da es ein heißer Sommer ist, dürfen die Kinder des 5. bis 8. Schuljahres ins neue Freibad nach Voerde, um das Schwimmen zu erlernen, „denn nur wenige Kinder können schwimmen"
Die Gemeinde Voerde stellt für das laufende Schuljahr wiederum 300,00 DM für Lehr-und Lernmittel, 100,00 DM für Werkunterricht und 60,00 DM für die Schülerbücherei zur Verfügung.
Nach wie vor unterrichtet Frau Ursula Krieg die Mädchen im Fach Nadelarbeit.
Der „neue Schulmeister" wird auch von den Mehrumer Dorfbewohnern recht kritisch „unter die Lupe" genommen. Anläßlich der Nottekirmes zum Erntedankfest, die in Mehrum alljährlich kräftig gefeiert wird, bekommt Horst Dickmann aber dann doch den richtigen Kontakt mit der Bevölkerung und mit den Eltern seiner Schulkinder.
Von Ende November an wird die Schule geschlossen, da nahezu die Hälfte der Schulkinder an Mumps erkrankt ist.
Im Frühjahr 1960 muß das Dorf Mehrum von seinem alten Wahrzeichen, dem Haus Mehrum, Abschied nehmen. Das beim Rheinübergang der Alliierten 1945 stark zerstörte Gebäude war mehr als 15 Jahre der Witterung ausgesetzt. An einen Wiederaufbau ist nicht zu denken. Die Reste der Ruine werden in ein ausgekiestes Baggerloch am Rhein geschüt-tet. Das Wahrzeichen, mit dem Dorf und Menschen in Mehrum über viele Jahrhunderte untrennbar verbunden gewesen sind, gibt es nun nicht mehr. Und diese Tatsache machte doch viele Menschen hier am Rhein sehr betroffen.
Das Schuljahr 1960/61 beginnt mit 46 Kindern, die Klasse ist bis auf den letzten Platz besetzt. Der neue Gruppenraum bedeutet für den Unterricht eine große Erleichterung. Die endgültige Versetzung von Horst Dickmann nach Mehrum vollzieht der Schulrat zum 1. April 1960.
Auf Vorschlag von Horst Dickmann beschließt die Elternversammlung eine freiwillige Elternspende, die vom Elternvorstand verwaltet wird und als Fahrtkostenzuschuß für Schulfahrten gedacht ist. In dieser Versammlung wird nochmals kritisiert, daß der Lehrer Horst Dickmann nicht bereit ist, die Chorleitung des Gesangvereins zu übernehmen. Doch die Mehrzahl der anwesenden Eltern steht auf seiner Seite und vertritt die Ansicht, „daß der Lehrer in erster Linie die Kinder zu unterrichten hat, er muß nicht unbedingt als Dirigent tätig sein". Für die Zukunft beabsichtigt er, eine Blockflötengruppe zu bilden, die zur Ausgestaltung von Schul- und Dorffeiern beitragen kann.
Bei gutem Wetter fährt Horst Dickmann mit den größeren Kindern mit dem Fahrrad zum Schwimmunterricht im Freibad Voerde.
Neben der asphaltierten Schulhoffläche wird eine Rasenfläche vorbereitet und darin ein Stufenreck einbetoniert. Auf der Obstwiese hinter der Schule heben die Jungen eine 3 x 5 m große Weitsprunggrube aus. Den Sand hierfür liefert die Kiesbaggerei Johann Bracukmann aus Mehrum kostenlos.
Zu allen Zeiten sind die Mehrumer Schulkinder immer sehr sportlich gewesen. In keinem Jahr werden die Schulwettkämpfe, Bannerwettkämpfe, Bundesjugendspiele oder andere Sportveranstaltungen ausgelassen.
Das Lehrerwohnhaus scheint nun inzwischen so reparaturbedürftig geworden zu sein, daß sich Horst Dickmann in einer zwei Seiten umfassenden Eingabe vom 23. Juli 1960 hilfesuchend an die Gemeinde Voerde wendet.
Am 30. September 1960 verstirbt der frühere Schulleiter der Schule Mehrum, Otto Heynberg. Er war von 1913 bis 1925 in Mehrum tätig. Die älteren Mehrumer Dorfbewohner nehmen an der Beisetzung teil.
Nicht ganz einen Monat später, am 19. Oktober desselben Jahres, verstirbt der Heimatforscher Hauptlehrer i. R. Walter Neuse aus Möllen im Alter von 79 Jahren. Walter Neuse hat uns einen unermeßlichen Reichtum an heimatgeschichtlichem Nachlaß hinterlassen. Bereits im Oktober beginnen die Vorbereitungen für die Weihnachtsfeier, wie sie in der zurückliegenden Zeit jedes Jahr stattgefunden hat. Doch dieses Mal soll es etwas besonderes werden. Das Klassenzimmer erhält eine neue Bühne mit Vorhang und Papierkulissen. Um allen Dorfbewohnern den Besuch der Weihnachtsfeier zu ermöglichen, spielen die Kinder an zwei Tagen. Im Zuschauerraum haben jeweils nur 100 Besucher Platz.Die Kinder der Unterstufe spielen das Stück „Schelmenstreiche im Wichtelreiche". Die Oberstufenkinder haben mit viel Fleiß das besinnliche Stück „Da kommt Frau Lüttjohann" eingeübt. Für die Bescherung der Kinder haben die Dorfbewohner nach alter Tradition gesammelt. Der Weihnachtsmann, Heinrich Biefang, wird die prallgefüllten Tüten überreichen. — Abschließend der Lehrer: „Die Aufführung war ein voller Erfolg. Auch bei meinen Gegnern habe ich an Ansehen gewonnen!"
Schuljahr 1961/62. 38 Kinder besuchen die Schule. Nach einem verregneten Mai ist nun auch der Juni sehr regenreich. Das Wasser des Rheines stieg so stark an, daß das Heu auf den Weiden vor dem Deich weggeschwemmt ist.
Vom 13. bis 16. Juni 1961 nimmt Horst Dickmann an einem Prüfungslehrgang zur Erlangung der Lehrbefähigung für die Evangelische Unterweisung teil. Fräulein Greff von der Schule in Speilen übernimmt die Vertretung.
Rudolf Krieg verläßt am 30. August 1961 mit seiner Familie die Dienstwohnung in Mehrum. Nach eingehender Bauzustandsprüfung erscheint eine Reparatur des Gebäudes nicht mehr lohnend. „Meine Hoffnung, bald nach Mehrum ziehen zu können, muß ich begraben." Der seit dem Frühjahr bestehende Gemüsegarten und die dort stationierten 8 Bienenvölker müssen weiterhin von Stockum aus betreut werden.
Große Unruhe verbreitet der Plan einiger Leute in der Verwaltung und den Parteien, für die Dörfer Löhnen, Mehrum und Götterswickerhamm eine dreiklassige Zentralschule in der Nähe der Deichkuhle zu errichten. Der Hauptausschuß der Gemeinde Voerde diskutiert am 18. September 1961 die Errichtung einer Mittelpunktschule. Doch vehement und engagiert wenden sich nicht nur die Mehrumer Eltern gegen dieses Vorhaben, das dann auch schließlich von den zuständigen Dienststellen abgesetzt wird.
In der Zeit von Oktober 1961 bis Januar 1962 besprechen die Dorfbewohner die Errichtung und Ausgestaltung einer neuen Gedächtnisstätte für die Gefallenen beider Weltkriege. Es wird ein Ehrenmal-Ausschuß gebildet, dem 12 Mehrumer Bürger angehören, u.a. auch Lehrer Horst Dickmann. In einer Versammlung der Dorfgemeinschaft im Februar 1962 wird beschlossen, die neue Ehrenstätte an der alten Stelle im Schloßpark zu errichten.
Da nahezu die Hälfte der Schulkinder an Grippe erkrankt ist, wird die Schule vom 13. bis 22. März geschlossen.
Am 26. März 1962 beschließt der Hauptausschuß der Gemeinde Voerde den Neubau eines Lehrerwohnhauses in Mehrum. Der Beschluß wird vom Gemeinderat am darauffolgenden 10. April bestätigt.
Das Schuljahr 1962/63 beginnt mit 39 Kindern. Die Kinder des vierten Schuljahres fahren einmal wöchentlich nach Voerde zum Lehrschwimmbecken.
Am 6. April überprüft das Staatshochbauamt Wesel das Lehrerwohnhaus. Nach einem zusätzlichen Blick auf den Schulsöller lautet das Urteil: Alles abreißen!
Anläßlich einer Bürgerversammlung bei Mölleken teilt Ratsmitglied Rudi Patt mit, daß der Plan einer neuen Schule an der Deichkuhle „nicht mehr zur Diskussion steht". In den ersten Januartagen 1963 schneit es ununterbrochen. Die Schneehöhe beträgt zwischenzeitlich 60 cm. Schneeverwehungen hindern Menschen und Autos am Fortkommen. Die Männer aus dem Dorf können ihre Arbeitsstellen nicht mehr erreichen. Auch für Horst Dickmann ist es schwierig, seinen Dienst in Mehrum zu versehen, denn er wohnt nach wie vor in Stockum. Doch mit seinem Motorroller, den er den „feuerighen Elias" nennt, schafft er die blankgewehten und spiegelglatten Wege nach Mehrum und zurück. Die Kanäle sind zugefroren, Heizöl und Kohlen sind knapp. Am 23. Januar werden Lehrschwimmbecken und Turnhalle in Voerde geschlossen. Am 24. Januar steht der Rhein bei Emmerich, in Mehrum ist er mit Treibeis bedeckt. Nordische Vögel, die hier nie zu beobachten gewesen sind, sitzen an den Rheinufern und suchen vergeblich nach Nahrung. In der Schule wird Getreide für die Wildfütterung gesammelt. Der 7. März 1963 ist der erste frostfreie Tag seit dem 21. Dezember 1962.
Ein Geschenk besonderer Art erhält die Schule Mehrum am 14. Dezember 1962. Endlich wird ein Tonfilmprojektor im Werte von 2.700,00 DM zur Verfügung gestellt, der dafür sorgt, daß die Schulkinder nicht mehr auswärtige Filmtheater oder Filmvorführungen besuchen müssen.
33 Kinder besuchen im Schuljahr 1963/64 die Mehrumer Schule. In Mehrum macht sich wieder Unruhe breit, weil das Thema „Mittelpunktschule" erneut aufgegriffen wird. Bürgermeister Heinrich Schmitz sorgt aber für Beruhigung. Nach seiner Ansicht sei die Frage, ob die Mehrumer Schule erhalten bleiben soll, bereits entschieden. „Die Regierung tendiert zu der Auffassung, daß man die Schule nicht aus dem Dorf herausnehmen soll." In einer Besprechung der Regierungskommission mit anschließender Ortsbesichtigung wird vorgeschlagen, eine neue Schule zu bauen .
Den Handarbeitsunterricht erteilt nun Frau Julia Wohland, die an der Schule in Spellen als Hauswirtschaftslehrerin tätig ist.
Im Herbst 1963 beginnt Horst Dickmann mit der Instandsetzung der alten Lehrerwohnung, um sie einigermaßen bewohnbar zu machen. Fleißige Helfer findet er in Johann Rissel, dessen Sohn Gerhard und Wilhelm Ingenwerth. Selbst Weihnachten und Sylvester/Neujahr wird gearbeitet, um am 6. Januar 1964 endlich einziehen zu können.
Die Nachbarn haben zum Einzug den Hauseingang festlich geschmückt und helfen auch beim Abladen und Aufstellen der Möbel. Am Abend bringt die Nachbarschaft ihrem Lehrer Horst Dickmann und seiner Frau Inge, geb. Grebestein, sowie den übrigen Angehörigen ein Ständchen vor der Haustüre. Es entspricht alter Mehrumer Tradition, daß alle Anwesenden zu einem Umtrunk ins Lehrerhaus eingeladen werden.
Das Schuljahr 1964/65 zählt 34 Schulkinder. Am 20. April 1964 beschließt der Gemeinderat Voerde, in Mehrum eine neue Schule mit Lehrerwohnhaus zu bauen. Die Kosten für beide Vorhaben veranschlagt der Architekt Hermann Cyrener mit 335.000,00 DM. Zuvor besichtigten er und Horst Dickmann einige moderne einklassige Volksschulen am linken Niederrhein und im Weseler Wald. Die öffentliche Ausschreibung erfolgt am 6. August 1964, Angebotseröffnung ist am 31. August 1964. Im Oktober wird die Baustelle eingerichtet, im Dezember ist der Rohbau des Wohnhauses fast vollendet, die Kellerdecke des Schulhauses wird gegossen. Das milde Winterwetter begünstigt die Bauarbeiten. In der ersten Februarwoche wird der Dachstuhl der Schule gerichtet. Am Donnerstag, 11. Februar 1965, ist das Richtfest. „Mit den Kindern habe ich mich auf diesen Tag vorbereitet. Sie werden mit Gedichten, Liedern und einem Ständchen der Flötengruppe ihren Teil zum Richtfest beitragen." Den Richtkranz schmücken wir mit alten Schiefertafeln, Griffeldosen und Schwämmen. Auch ein alter Schulranzen erfüllt dabei seine letzte Aufgabe. Viele Gäste aus Rat und Verwaltung, allen voran Bürgermeister Heinrich Schmitz, die Handwerker und Unternehmer, sowie auch die Elternschaft und die Schulkinder erleben dieses für das Dorf Mehrum so bedeutsame Fest.
Im Schuljahr 1965/66 gehen nur noch 28 Kinder zur Mehrumer Schule. Der Abgang der Schüler zu den weiterführenden Schulen macht sich bemerkbar: Nur noch 11 Kinder in den Schuljahren 6 bis 8. Seit dem 1. April 1965 ist der Englischunterricht auch in der Mehrumer Schule für alle Kinder Pflicht.
Im September 1965 wird die Lehrerschaft über die Neuordnung der Volksschuloberstufe informiert. Wenn dieses Vorhaben verwirklich wird, dann hat die letzte Stunde der wenig-gegliederten Schule, schon häufiger als Zwergschule benannt, geschlagen.
Das Lehrerwohnhaus wird bald fertig, im November soll es bezogen werden. Es wird bekannt, daß Fräulein Göppert, 1947 an der Schule in Mehrum tätig, als verheiratete Frau Stein wohl in Essen wohnt. Sie bestätigt, daß sie die alte Schulchronik, deren Verbleib niemand erklären kann, selbst in Händen gehabt und darin auch Eintragungen gemacht hat. Die Schulweihnachtsfeier 1965 findet noch in der alten Schule — wie jedes Jahr — statt. Die Kinder führen wieder zwei Theaterstücke auf.
Am 20. November 1965 wird das neue Lehrerwohnhaus bezogen. Die Nachbarn erhalten vom Lehrer die „Nachbarzeche". Aus dem ganzen Dorf treffen Glückwünsche ein. Spielmannszug und Gesangverein bringen der ganzen Familie ein Ständchen, die Nachbarkollegen gratulieren zur neuen Wohnung, alte Nachbarn aus Stockum tun desgleichen. Das Haus gleicht einem Taubenschlag. Fazit des Einzug: 200 Liter Bier und etliche Flaschen Wacholder, fast wie bei einem kleinen Dorffest.