Die Mehrumsche Gilde
Von den Gilden und Bruderschaften, die im späteren Mittelalter sowohl im kirchlichen als auch im bürgerlichen Leben eine beachtenswerte Rolle spielten, indem sie zur Unterhaltung von Altären beisteuerten oder berufliche Interessen vertraten, haben sich nur wenige erhalten.
Eine von diesen wenigen ist die Gilde zu Mehrum. Wenn sie auch nicht die alte Tadition in allen Punkten beibehalten hat und wegen der im Laufe der Zeit auf fast allen Gebieten eingetretenen Veränderungen auch nicht fortführen konnte, so erfüllt sie doch heute noch wenigstens eine von den Aufgaben, denen sie sich in der Blütezeit widmete, nämlich die Unterstützung ihrer Mitglieder bei Sterbefällen.
Nachrichten über ihren Ursprung liegen bisher nicht vor. Aber wir sind in der glücklichen Lage, einen Einblick in ihr früheres Wesen gewinnen zu können. Es ist nämlich ein altes Rechnungsbuch der Gilde erhalten geblieben, ein scheinbar unbedeutendes Notizbuch, 15 cm lang und 10 cm breit, mit einem Umschlag aus pergamentähnlichem Papier.
Das Buch enthält 119 Blätter, von denen 115 beiderseitig und 3 auf einer Seite beschrieben sind. Die darin vorgenommenen Eintragungen beginnen mit dem Jahre 1692 und endigen 1825. Sie rühren von vielen Händen her. Neben mancher sauberen, flüssigen Schrift finden sich aber auch Schriftzüge, denen anzusehen ist, daß der Schreiber statt des leichten Federkiels lieber den schweren Pflugsterz führte. Und doch ist es seiner des Schreibens ungewohnten Hand gelungen, vielleicht wohl etwas langsam und mit einiger Mühe, die Buchstaben einigermaßen leserlich zu Papier zu bringen. Hin und wieder ist zu erkennen, daß jemand die Eintragung, die ihm oblag, von einer anderen Hand hat vornehmen lassen und er selbst dann zur Beglaubigung sein Merk, ein Kreuz, einen Haken oder ein anderes Zeichen darunter gezogen hat.
Gehen wir nun auf den Inhalt des über 250 Jahre alten, für uns so kostbaren Büchleins ein! Zunächst ist zu bemerken, daß die Gilde sich selbst oft Nachbarschaft oder Bruderschaft und ihre Mitglieder die Nachbarn nannte. Alle zwei Jahre kam die Nachbarschaft in der Schulstube zusammen, um zwei Rechnungsführer, die Gildemeister, zu wählen, welche die Einnahmen und Ausgaben in das Rechnungsbuch eintragen sollten und dieses nach Ablauf der Amtszeit der Gilde vorzulegen hatten.
Da heißt es zum Beispiel: „An die Stelle gesetzt Wilhelm van Etwich und Bartel Brinkamps soviel als Gildemeisters und sollen von 1710, 1711 Einmahnung thun und solches künftiger Zeit an die Nachbarn ihre Rechnung überliefern."
„Anno 1766, den 9. May haben wir Nachbarn zu Gildemeisters gesetzt Johann Dahm und Heinrich Kähmer und haben die zwey Jahren nach einander anno 1766 und 1767 ein zu böhren und zu berechnen."
Auch ein Gildebote wurde gewählt: „1770, den 31.März sind die Nachbarn beisammen gewesen und haben Jakob Krüsken zum Boten angesetzt mit seiner Einwilligung und ihm zugelegt 40 Stüber und soll derselbe auch von den Nachbarlasten frei sein, wie vorher auch." *1)