Landwirtschaft - Rheindorf Mehrum

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Landwirtschaft in Mehrum früher und heute

Wer übte in Mehrum noch Landwirtschaft aus

Hier in Mehrum gab es bis vor dem 2. Weltkrieg sieben große landwirtschaftliche Höfe und zwar der Größe nach:  Konrad Fuhrmann, Hermann Ettwig, Willi Klein, Gerd Hüser, Gottfried Köhnen, Wilhelm Möltgen und Dietrich Kempken im Hauptbetrieb, aber auch viele Kleinbetriebe im Nebenerwerb wie z. B. Albert Lemm, Johann Köhnen, Johann Lemm/Band, Johann Printz, Heinrich Biefang sowie Schwarz/Dickmann. Nach Kriegsende hielt fast jeder Einwohner in Mehrum aus Hungersnot bzw. aus finanziellen Gründen noch ein bis zwei Kühe und einige Schweine zur Eigenschlachtung. Sie waren noch beruflich beschäftigt und überwiegend bei der früheren Reichsbahn oder Bundesbahn beschäftigt. Johann und Hermann Evers hatten noch bis 1955 ihren Acker mit zwei Kühen bestellt, obwohl diese weiterhin zur Milchversorgung beigetragen haben.
Etwa um 1900 wurde das Vieh mit dem Mehrumer Milchschiff zum Weiden auf die linksrheinische Insel Rhinus gebracht. Viele Mehrumer haben später ihre Kühe in den Sommermonaten gegen Entgelt auf die Hülskensweide hinter dem Deich an der Schloßstraße gebracht und hierhin fuhr man mit dem Fahrrad zum Melken. Eimer und Milchkanne hingen am Lenkrad.
Ganz früher fraßen die Kühe das Gras am Wegesrand und wurden mit langen Stricken geführt. Da in dieser Zeit nach dem Kriege die Lebensmittel sehr knapp waren, wurden des Nachts heimlich von den Städtern Ähren, Kartoffeln und Obst gesammelt. Heinrich Bönneken wurde als Ehrengendarm für die Überwachung beauftragt.
Obst, Gemüse und Kartoffeln wurde auf den Märkten in Dinslaken und Hamborn als zusätzliche Einnahme verkauft. Früher wurde das Fallobst gesammelt und mit eigenen Zuckerrüben von der Krutstökerei (Krautmacher) in Götterswickerhamm zu Apfel- und Rübenkraut verarbeitet. Aber Haupteinnahme war der Verkauf von Milch und Mastschweinen. Die Milchkannen wurde frühmorgens auf den Milchbock gestellt und mit Pferdewagen später mit dem Trecker von Fritz Mölleken (genannt Büb) zur Molkerei nach Voerde, Frankfurter Straße, gefahren.
Der Ettwigshof hatte anfangs 8 bis 10 Milchkühe, später in den 50iger Jahren wurden es über 20, die dann aber schon mit der Melkmaschine gemolken wurden. Ab 1980 betrug hier der Viehbestand über 75 Kühe und ca. 50 Stück Jungvieh. In dieser Zeit wurde hierfür erstmalig im Dorf ein Boxenlaufstall errichtet mit einem großen vollautomatischen Melkstand, in dem jeweils 12 Kühe reingingen und mit vier Melkmaschinen gleichzeitig gemolken werden konnten.


Bestellung und Einsaat der Äcker

Die Bearbeitung der Felder wurden früher nur mit großen Ackerpferden erledigt, später Anfang 1950 tauchte der erste Trecker von Günter Kustos vom Hof Klein auf.
Kühlwasser und Diesel mußten zum Feld gebracht werden, damit bei Bedarf nachgefüllt werden konnte. Wenige Jahre später hatte auch Hermann Ettwig einen Lanz-Bulldock-Trecker, der noch mit der Hand am Schwungrad zum Laufen gebracht wurde. Die Äcker wurden hauptsächlich seiner Zeit mit Zuckerrüben, Weizen, Hafer, Roggen aber auch Futter für das Vieh (Futterrüben) bestellt.  Im Winter wurde das Korn gedroschen, später erledigte das in der Scheune die Dreschmaschine, die von einem großen Motor über Keilriemen angetrieben wurde.
Das Korn wurde früher mit der Sichel gemäht und die Gaben noch von Hand gebunden und mit Pferd und Wagen zum Hof gebracht und in der Scheune gelagert. Später brachte die mit zwei oder drei Pferden gezogene Mähmaschine und danach der Mäh-Selbstbinder große Erleichterung. Aber das Freimähen der Ackerränder musste noch weiter von Hand gemacht werden.
Erst Ende der 50er Jahre kam der kleine fahrbare Mähdrescher, wobei das Korn noch in Säcken abgefüllt wurde. Ab ca. 1970 wurde das Korn mit dem großen fahrbaren Mähdrescher gedroschen, auf umgebaute Pferdewagen gefüllt und zum Hof gefahren, aber dann schon mit eigenem Trecker. Diese wurde mit der Zeit immer größer und moderner, von anfänglich nur 17 PS auf über 100 PS mit Allradantrieb. Das auf den Feldern verbliebene Stroh wurde jetzt mit dem Heuwender auf Reihen gezogen und anschließend mit dem Strohbinder zunächst in kleinen Gaben und später gepresst in eckige Ballen gesammelt zum Hof gefahren. Heute sind es große Rundballen. Ähnlich wurde das trockene Heu eingefahren.

 
Kartoffelernte

Ab den 50er und 60er Jahren war bei den Bauern auch der Verkauf von Einkellerungskartoffeln eine der Haupteinnahmequellen. Die Kartoffeln wurden zunächst mit einer kleinen Rodermaschine frei geworfen und dann mit Hand in Reihen gelegt, mittags in Körbe aufgelesen und mit der Pferdekarre in die Scheune gebracht und dort gelagert. Im Herbst wurden die Kartoffeln aussortiert, in Zentnersäcke gefüllt und mit dem Wagen zur Kundschaft in umliegende Orte, u.a. auch nach Walsum und Hamborn in die jeweiligen Keller getragen. Während des Krieges mussten die Schulkinder die Kartoffeläcker nach Kartoffelkäfer absuchen, zunächst ohne sichtbaren Erfolg. Erst als die Käfer ab 1950 in größeren Mengen auftraten, wurden die Äcker mit chemischen Mitteln gespritzt.

 
Rübenernte

Nach dem Krieg wurden für mehrere Jahre auch Zuckerrüben angebaut. Sie wurden mit dem Wagen auf dem Bahnhof Voerde verladen und zur Zuckerfabrik nach Pfeifer & Lange in Köln gefahren.  Die Rübenernte war mit viel Arbeitsaufwand verbunden. Die kleinen Pflanzen mussten mit der Hand vereinzelt gezogen und das Unkraut ein- bis zweimal mit dem Häcker beseitigt werden. Schwierig gestaltete sich auch das Ausziehen der Rüben. Der Reihe nach wurde das Laub mit dem Spaten entfernt und anschließend mit dem Pferdekarren zur Rübenmiete gebracht. Später geschah dies mit modernen Geräten und der Trecker brachte viel Erleichterung.


Maisanbau

Wegen der aufwändigen Arbeit wurden mit der Zeit keine Rüben mehr geerntet und dafür immer mehr Mais zur Fütterung des Viehs während der Winterzeit angebaut. Das Häckseln von Mais sowie der Transport zum Hof erfolgt auch heute noch durch Lohnunternehmer. Der Maisanbau hat sich seit 2000 durch die mit staatlichen Zuschüssen errichteten Biogasanlagen um mehr als das 10-fache erhöht. Der Silomais wird nunmehr für die Erzeugung von Strom verbrannt. Diese Anlagen gibt es heute fast in jeder Gemeinde. Die Betreiber zahlen für die Ackerflächen inzwischen überhöhte Pachtpreise von bis zu 800 Euro pro Hektar.  


Ende der Nebenerwerbsbetriebe

Die landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebe hatten ca. 3 bis 5 Morgen in Eigentum bzw. in Zupachtung. Das Korn von diesen Nebenerwerbsbetrieben wurde von den Großbetrieben Ettwig, Hüser oder Kustos gemäht und auf den jeweiligen Höfen gedroschen. Man half sich gegenseitig, so zum Beispiel wurde die Heuernte mit großer Nachbarschaftshilfe eingebracht.
Ende der 60er u. Anfang der 70er Jahre gab es allmählich keine Nebenerwerbsbetriebe mehr, da die Preise für Milch und Getreide nicht weiter anstiegen und der Aufwand sich nicht mehr lohnte.  Dagegen übernahmen die Großbetriebe ihre Äcker in Pacht und diese wurden immer größer. Der Ettwigshof hatte zuletzt 25 ha in Eigentum und 75 ha Weide und Acker durch Zupachtung.
Auch der große Fuhrmannshof gab schon früh etwa um 1955 die Landwirtschaft auf, da niemand von den Erben Bauer werden mochte. Ähnlich erging es den Betrieben Hüser, Köhnen, Möltgen u. Kempken.
Heute haben wir nur noch zwei landwirtschaftliche Höfe, und zwar der Biobetrieb Wilhelm Kustos und der Ettwigshof, der nach dem Tode von Winand Ettwig ab 2008 an den Landwirt Gerd Blank verpachtet wurde.


Text: Heinz Ettwig
27.10.2018
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